Der Baader-Meinhof-Komplex (German Edition)
längst Gudrun zugewandt. Baader schrieb der einstigen Geliebten: »Es ist klar, daß mich quält, wenn andere mit dir schlafen. Ich will nicht, daß du aus dieser Trennung und aus unserer Sache so brutal wie möglich einen Haufen Dreck machst, und deswegen schreib ich dir, und deswegen will ich dich ab und zu sehen.«
Die gemeinsame Tochter Suse sollte nun bei Ellos früherem Partner, dem Maler Manfred H., aufwachsen. Baader fand das »natürlich schlecht«. Dann wäre Ello als Erziehungsberechtigte besser, »egal wieviel Pillen und Schwänze« ihr Problem seien.
Es fiel Baader immer schwerer, die Haft zu ertragen. Mehr und mehr suchte er Streit mit der Vollzugsleitung und stellte immer wieder neue Forderungen. Er benötige ein gut gefülltes Bücherregal und aktuelle Zeitungen. Er beschwerte sich, daß seine Zigaretten auf der Suche nach verbotenen Substanzen aufgeschnitten worden waren, und darüber, daß »ein schwitzender Beamter« ihn »zehn Minuten betastet« habe, »was kein Spaß« sei. In einem Brief an Rechtsanwalt Mahler deutete er an, einer der zuständigen Richter sei Autor eines Buches über Tierschutz. Er habe da eine Idee, wie man den Richter treffen könnte: »Sicher hat er einen Köter, an dem sein Herz hängt. Wir werden ihn anzünden, wenn er dann noch lebt.« Er verlangte, in eine andere Anstalt verlegt zu werden, und drohte: »Sie werden mich durch die träge Behandlung meiner Beschwerden zu Aktionen zwingen, die für Sie lästiger sind als Worte.«
Tatsächlich wurde Baader nach Kassel verlegt, und er durfte sogar mehrmals seine Freundin und Mitangeklagte Gudrun Ensslin in der Haftanstalt Frankfurt-Preungesheim besuchen. So etwas war bis dahin in deutschen Gefängnissen unmöglich gewesen, aber die Direktorin der Frauenhaftanstalt, die linke Sozialdemokratin und Justizreformerin Helga Einsele, schätzte Gudrun Ensslin sehr. Die immer wieder kolportierte Geschichte, die Vorzeigegefangene und ihr Liebhaber hätten auch gemeinsam in einer Zelle übernachten dürfen, ist aber unbewiesen.
19. Horst Mahler und die Steineschlacht am Tegeler Weg
Zur selben Zeit fand in Berlin das Ehrengerichtsverfahren gegen Rechtsanwalt Horst Mahler statt. Vor allem wegen seiner Rolle bei den Anti-Springer-Demonstrationen nach dem Attentat auf Rudi Dutschke sollte gegen ihn Berufsverbot verhängt werden. Rechtsanwalt Josef Augstein, der Bruder des »Spiegel«-Herausgebers Rudolf Augstein, vertrat Mahler. Und während im Landgericht am Tegeler Weg verhandelt wurde, kam es draußen zur schwersten Straßenschlacht, die Berlin bis dahin gesehen hatte.
Bei der »Steineschlacht am Tegeler Weg« wurden 130 Polizeibeamte und 22 Demonstranten zum Teil erheblich verletzt. Rocker kämpften an der Seite der etwa tausend Studenten. Die vorrückenden Polizisten wurden mit einem Steinhagel empfangen und mußten zurückweichen. Zum ersten Mal behielten Demonstranten im Kampf mit der Polizei die Oberhand. Die politische Führung der Stadt zog sofort die Konsequenzen. Nach der »Schlacht« wurden die Polizeibeamten neu ausgerüstet. Der traditionelle Tschako hatte ausgedient. Statt dessen wurden die Beamten mit Spezialhelmen, Gesichtsschutz, Plastikschilden und extra langen Schlagstöcken bewaffnet.
Horst Mahler wurde am 23 . Januar 1936 in Schlesien als Sohn eines Zahnarztes geboren. Im Februar 1945 flüchtete die Familie vor der Roten Armee nach Naumburg an der Saale. Ein knappes Jahr später siedelten sie nach Dessau, und nach dem Tod des Vaters, 1949 , nach Westberlin über. Mahlers Vater, ein glühender Nazi und Antisemit, hatte sich selbst erschossen.
In Berlin-Wilmersdorf bestand Horst Mahler 1955 das Abitur. Er studierte an der Freien Universität Berlin Rechtswissenschaft und trat der schlagenden Verbindung »Thuringia« bei. Bald darauf war er dann allerdings Mitglied im »Sozialistischen Deutschen Studentenbund« und setzte sich mit dem linken Flügel des SDS gegen die atomare Aufrüstung ein.
Mahler war auch Mitglied der SPD geworden, die ihn 1960 ausschloß, als die Partei die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaften in SDS und SPD erklärte.
1963 eröffnete er in Berlin eine Anwaltskanzlei und spezialisierte sich überwiegend auf Wirtschaftsverfahren. Er wurde Rechtsberater der Firma »Hotel am Kaiserdamm GmbH & CO . KG «, einer Abschreibungsfirma westdeutscher Kommanditisten. Er war erfolgreich.
Einer seiner damaligen Mandanten aus der Bauwirtschaft, Dr. Heinz Schindler, gab später, als Mahler wegen
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