Der Babylon Code
zögerten einen Moment, dann gingen sie weiter. Hieronymus stand auf und versperrte ihnen den Weg.
»Stören Sie den Heiligen Vater nicht. Er sucht den Rat des Herrn.«
»Die Nonne stirbt.«
»Meinen Sie, er weiß es nicht ?«
»Er könnte sie vielleicht retten!«, murmelte Chris und starrte auf den zuckenden Körper des Papstes. »Die Probe könnte…«
»Vater, sprich!«
Es war ein Schrei der Verzweiflung.
Der Papst hob den Kopf in den Nacken, während sein Körper weiter auf den Platten lag.
»In aller Demut erbitte ich deinen Rat!«
Chris schwieg betreten. Da lag einer der mächtigsten Männer der Welt auf dem Boden und flehte um Hilfe, weil er nicht weiter wusste.
»Warum schweigst du? Herr… bitte!«
»Was… ?«
»Psst!«, zischte der Mönch, als die Stimme des Papstes wieder erscholl.
»Die Nonne stirbt. Der Heilige Benedikt sagt:
›Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen: Man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus.‹«
Der Papst schrie voller Verzweiflung. Sein Kopf wackelte vor Anstrengung.
Jasmin tat unwillkürlich einen Schritt nach vorn, aber der
Mönch fasste sie am Arm, und die eiserne Klammer hielt sie auf.
»Nicht. Er hat wieder eine Vision.«
Die Hände des Papstes ballten sich zu Fäusten, schlugen unkontrolliert auf die Steinplatten.
»Herr… antworte! Sprich!«
Der zornige Ruf ging in ein tiefes Schluchzen über, das in einem herzzerreißenden Wimmern endete.
Chris begann zu zittern und hörte sich ächzen, als trage er selbst die tonnenschwere Last, die den Papst erdrückte. Jasmin schien es genauso zu gehen, ihre Zähne schlugen unkontrolliert aufeinander.
»Ich weiß! Ich weiß!«, schrie der Papst. »
Die Schuld trifft den Hirten!
«
Der Kopf des Papstes fiel nach vorn auf den Steinboden. Ein Zittern lief von den Schultern nach unten durch den Körper. Immer wieder zuckte sein Körper. Dann verlor der Körper seine Spannung, und der Papst keuchte angestrengt.
Es dauerte Minuten, dann richtete der Papst sich mühsam auf. Er stützte sich auf den Bischofsstab und ging mit schweren Schritten zum Altar. Sein Rücken war gebeugt, und der Hirtenstab wackelte, so unkontrolliert zitterte der Arm.
Endlich streckte der Papst seine linke Hand aus und griff die Spritze mit der rosafarbenen Flüssigkeit.
Der Papst drehte sich um, und Chris erschrak.
Das Gesicht war leichenblass, zerfurcht und um Jahre gealtert. Er schien niemanden zu sehen, starrte mit leeren Augen und wie in Trance auf den Kapellenausgang.
Das Holz brannte lichterloh. Flammen schlugen aus dem Stapel, wurden zur Seite gedrückt, dann wieder züngelten sie senkrecht nach oben. Von Westen her, wo in dem Viereck des Petit Cloître
die Mauer fehlte, jagten immer wieder Windstöße herein, fachten die Glut erneut an.
Chris und Jasmin standen an der offenen Seite und sahen hinunter auf den westlichen Klosterweg, wo immer noch die Trümmer des Helikopters an der Klostermauer rauchten.
Drei von Trotignons Leuten schlichen zwischen den Leichen umher, obwohl der Arzt gesagt hatte, dass niemand dort unten noch lebte.
Sie wandten sich erneut dem kleinen Hof zu. Der Papst stand vor dem Feuer und starrte in die Glut. Neben ihm warteten Hieronymus und Elgidio Calvi, der immer wieder auf die Uhr sah.
Das Viereck lag im Schatten der Kapelle. Die Sonne war inzwischen über den Bergkuppen aufgegangen und tauchte die bewaldeten Täler in wärmendes Morgenlicht. Aber erst am späten Vormittag würde die Sonne hoch genug stehen und diesen Platz mit ihren dann heißen Strahlen erreichen.
Der Papst nickte, und Hieronymus öffnete den Transportkoffer. Nach und nach nahm er die verbliebenen Zellkulturen und die Gewebeproben der getöteten Maus heraus und gab sie dem Papst, der sie entschlossen ins Feuer warf.
Zuletzt hielt der Papst die Spritze mit der gebrauchsfertigen Probe in der Hand. Er machte zwei Schritte nach vorn. Für eine Sekunde sah es so aus, als stürze er. Noch ehe Calvi reagieren konnte, hatte der Papst sich wieder unter Kontrolle.
Der Arm des Papstes beschrieb eine Wurfbewegung. Chris sah den Kolben auf einen der brennenden Scheite fallen, wo er gut sichtbar liegen blieb.
Das Feuer schien plötzlich heftiger zu brennen. Windstöße stoben heran, die Flammen züngelten besonders hell, und das Knistern des Feuers drang überlaut in Chris’ Ohren.
Er starrte auf den brennenden Scheit, auf dem der Kolben lag. Die schwarz gebrannten Stellen des Holzes wandelten sich in
Weitere Kostenlose Bücher