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Der Babylon Code

Der Babylon Code

Titel: Der Babylon Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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Forschungsabteilung hinter sich gebracht. Plötzlich hatten sie in einem Café nebeneinandergestanden. Da es beide eilig gehabt hatten, hatten sie die Telefonnummern ausgetauscht mit dem Versprechen, man werde bald voneinander hören. Seitdem hatten sie nicht einmal miteinander telefoniert.
    »Ich war ganz überrascht, als deine Sekretärin anrief und fragte, ob du vorbeikommen könntest.«
    »Assistentin«, lachte Chris. »Darauf achtet sie.«
    »Von mir aus.«
    Im Fahrstuhl musterte Chris seinen besten Freund aus Jugendtagen. Wayne Snider sah angegriffen aus. Seinen Kopf zierte eine mächtige Platte, und die verbliebenen Haare waren ergraut. Die Haut war blass, als sehe er kaum Sonne, und die blauen Augen lagen tief in den Höhlen. Sie funkelten vor Freude. Trotzdem wirkten sie auf Chris melancholisch, resigniert.
    Der Wissenschaftler trug Hemd und Jeans, beides abgenutzt vom vielen Waschen. Die Ärmel des Hemdes waren bis zu den Ellbogen aufgerollt, und der dichte, dunkle Körperhaarwuchs, mit dem sie Wayne Snider in der Jugend gehänselt und als Affen verspottet hatten, war deutlich zu sehen.
    Sie waren lange Zeit gemeinsam zur Schule gegangen. Der Vater von Wayne Snider hatte als Protokollbeamter an der amerikanischen Botschaft in Bad Godesberg gearbeitet und hatte seinen Sohn ganz bewusst dazu ermuntert, sich auch deutsche Freunde zu suchen. Sie hatten damals nicht weit voneinander gewohnt und waren zeitweilig unzertrennlich gewesen.
    »Ich hätte nie gedacht, dass wir uns einmal in Dresden wiedersehen«, lachte Chris fröhlich und schlug seinem Jugendfreund auf die Schulter. »Wie kommst du denn hierher? Auf dem Flughafen in Frankfurt hast du ja nicht viel über deine Arbeit erzählt.«
    Sie stiegen aus dem Fahrstuhl und passierten zunächst mehrere metallene Flurtüren, die sich mit einem leisen Summen öffneten,
    als sie näherkamen. Zuletzt betraten sie einen langen und breiten Gang, von dem rechts und links Türen abgingen.
    »Ich habe nach dem Studium und ein paar eher langweiligen Jobs bei einem Unternehmen in Heidelberg angefangen, das sich auf die Gentechnik konzentrierte. Die sind irgendwann aufgekauft worden, weil sie nicht genug Risikokapital hatten, aber eben interessante Forschungsansätze. Dann wurde der Laden hierher verlegt, als der sächsische Staat seine Bio-City-Idee aus der Taufe hob und förderte.«
    Einige Türen standen offen; Chris erinnerte die Einrichtung der Räume an Küchen. Nur die Reagenzgläser und Glaskolben, Zentrifugen, Mikroskope und Pumpen zeigten, dass es Labore waren.
    »Unsere Medienküchen«, sagte Wayne Snider lächelnd, der Chris’ Blicke bemerkte. »Der Ort, wo unsere Bakterienkulturen heranwachsen. Komm.«
    Sie betraten ein kleines Büro. Vor dem aufgeräumten Schreibtisch stand ein zweiter Stuhl. Wayne Snider deutete darauf und verschwand.
    Chris sah sich um. Als Leiter eines Forschungsteams war sein Jugendfreund bescheiden untergebracht. Der Raum war knapp 15 Quadratmeter groß, der Schreibtisch alt und abgestoßen. Allerdings schienen seine Arbeitsmittel auf dem neuesten Stand zu sein. Der Flachbildschirm war riesig und mit einer exzellenten Auflösung ausgestattet, wie er an dem Bild sah.
    Snider kam mit zwei dampfenden Bechern Kaffee zurück.
    »Eine Zelle im Teilungsstadium«, sagte Snider, als er Chris’ Blick bemerkte.
    »Macht das denn Sinn?«, fragte Chris.
    »Was? Die Verlegung?« Wayne Snider grinste. »Wenige hundert Meter entfernt ist ein Max-Planck-Institut in einem riesigen Neubau mit hochkarätigen Forschern und jungen Leuten aus der ganzen Welt untergebracht, die alle den Nobelpreis im Auge haben. In Leipzig ist es ähnlich, und die Technische Uni hier
    macht auch in Gentechnik. Die Fördergelder fließen, und viele kleine Firmen haben sich angesiedelt, die im Schatten der großen staatlichen Institute gedeihen. Gelingt einem ein Durchbruch, wird man von einem Großen aufgekauft und ist ein gemachter Mann.«
    »So einfach ist das also.« Chris nickte. »Aber hättest du nicht woanders als ausgerechnet in…«
    »Wenn es denn so einfach wäre.« Snider unterbrach ihn amüsiert. »Sie wollten mich hier haben.«
    »Und die Familie ist begeistert mitgegangen?«
    Snider verdrehte die Augen.
    »Das ist ein eigenes Kapitel. Zuerst war ich allein hier. Zwei Jahre. Wochenendehe. War kurz davor, dass alles kaputtging. Mittlerweile haben sich alle eingewöhnt – die Kinder besser als meine Frau. Die Bosse auf der anderen Seite des Teiches sind froh, einen

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