Der Ball spielende Hund
Pflichten offenbar sehr genau.
«Das Wohnzimmer, Sir.»
Beifällig sah ich umher. Ein freundlicher Raum, dessen hohe Fenster auf die Straße gingen, mit schönen, schweren Möbeln, darunter auch wertvolle Stücke, ein Chippendale-Bücherschrank und ein Satz Hepplewhite-Stühle.
Wir benahmen uns, wie Käufer sich benahmen, wenn sie in einem Haus herumgeführt werden, blieben dann und wann stocksteif stehen, machten ein verlegenes Gesicht und sagten: «Sehr nett» oder «Hübsches Zimmer.»
Die Haushälterin führte uns durch die Halle in das gegenüberliegende Zimmer, das viel größer war als die anderen.
«Das Speisezimmer, Sir.»
Es war im viktorianischen Stil eingerichtet: schwerer Mahagonitisch, wuchtiges Büfett aus fast purpurrotem Mahagoni mit riesigen Bündeln geschnitzten Obstes, feste Lederstühle. An der Wand hingen Porträts, offenbar Familienbilder.
Der Terrier hatte unablässig weitergebellt. Jetzt wurde das Kläffen lauter, und wir hörten ihn durch die Halle stürmen.
«Wer hat sich unterstanden, ins Haus zu kommen? Ich reiß ihn in tausend Stücke!», bellte er. Auf der Schwelle blieb er stehen und begann zu schnuppern.
«Bob, du schlimmer Kerl!», schalt Ellen. «Er tut nichts, Sir.»
Der Terrier hatte uns erkannt und war wie verwandelt. Er schoss ins Zimmer und stellte sich auf das liebenswürdigste vor. «Freut mich, freut mich», sagte er, um unsere Knöchel streifend. «Verzeihen Sie den Krakeel, aber ich muss nun mal meine Pflicht tun. Man kann nicht genug darauf achten, wen man ins Haus einlässt. Aber es ist so langweilig, und ich bin ehrlich froh, dass Besuch da ist. Haben selber Hunde, wie?»
Diese Frage galt mir, als ich mich bückte und ihm den Kopf streichelte. «Niedlicher Kerl», sagte ich zur Haushälterin. «Müsste aber ein bisschen getrimmt werden.»
«Ja, Sir, er wird dreimal im Jahr getrimmt.»
«Ist er schon alt?»
«O nein, Sir. Nicht ganz sechs. Aber manchmal benimmt er sich wie ein ganz junger Hund. Erwischt einen Pantoffel der Köchin und beutelt ihn, dass die Fetzen fliegen. Aber sonst ist er sehr brav, obwohl man’s nach dem Lärm, den er macht, nicht glauben würde. Der Einzige, auf den er losgeht, ist der Postbote. Der hat richtige Angst vor Bob.»
Bob untersuchte gerade Poirots Hosenbeine. Dann schnüffelte er eingehend – «Hm, nicht übel, aber eigentlich nicht hundig!» –, kam wieder zu mir und sah mich mit schief gelegtem Kopf erwartungsvoll an.
«Ich weiß nicht, warum Hunde immer auf Postboten losgehn», meinte unsere Führerin.
«Reine Logik», antwortete Poirot. «Der Hund zieht Schlüsse. Es gibt Menschen, die ins Haus eingelassen werden, und Menschen, die nicht hineindürfen – das findet ein Hund bald heraus. Eh bien, wer versucht am beharrlichsten, eingelassen zu werden, und rüttelt sogar zweimal oder dreimal täglich an der Tür und wird doch nie eingelassen? Der Postbote. Er muss daher vom Standpunkt der Hausbewohner ein unerwünschter Gast sein und wird immer weggeschickt, kommt aber immer wieder und versucht es von neuem. Der Hund hält es also für seine selbstverständliche Pflicht, den Unerwünschten zu vertreiben und womöglich zu beißen. Das ist nur logisch.»
Strahlend blickte Bob mich an.
«Er ist fast wie ein Mensch, unser Bob.» Ellen öffnete eine Tür. «Der Salon, Sir.»
Der Anblick des Salons beschwor Erinnerungen an längst vergangene Zeiten herauf. Ein schwacher Duft nach Lavendel lag über dem Zimmer. Die Chintzbezüge mit den verblichenen Rosenmustern waren abgenutzt. An den Wänden hingen Drucke und Aquarelle. Überall Nippfigürchen, zerbrechliche Schäfer und Schäferinnen, bestickte Kissen, verblasste Fotos in schönen Silberrahmen, eingelegte Arbeitskästen und Teebüchsen – der Hauch einer früheren Zeit, einer Zeit der Gemächlichkeit umgab mich. Hier saßen die Damen bei ihren Handarbeiten, und wenn wirklich einmal ein besonders begünstigtes Mitglied des starken Geschlechts eine Zigarette rauchen durfte – wie wurden am nächsten Tage die Vorhänge geschüttelt und das Zimmer gelüftet!
Meine Aufmerksamkeit wurde durch Bob in Anspruch genommen. Er saß wie gebannt dicht neben einem Tischchen mit zwei Schubladen. Als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete, bellte er kurz und bittend auf und sah von mir zum Tisch.
«Was will er denn?», fragte ich.
Die Haushälterin, die den Hund offenbar sehr lieb hatte, freute sich, dass wir uns so viel mit ihm befassten. «Seinen Ball, Sir. Der wurde immer in
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