Der Ball spielende Hund
Hotelhalle nach und tat, als hätte sie mir etwas zu sagen. Als ihr Mann ihr folgte, womit sie gerechnet hatte, stellte sie sich, als könnte sie vor ihm nicht offen sprechen.
Ich begriff sogleich, dass sie ihren Mann nicht fürchtete, sondern hasste. Und hier hatte ich den Charakter vor mir, den ich suchte. Hier war eine unterdrückte Frau, ein schlichtes Mädchen, das eine freudlose Jugend gehabt hatte, das den Männern nicht gefallen hatte, denen es hatte gefallen wollen, und schließlich einen Mann nahm, der ihr gleichgültig war, nur um nicht eine alte Jungfer zu werden. Ich konnte mir ihre wachsende Unzufriedenheit mit dem Leben, der Verbannung in Smyrna vorstellen. Dann kamen die Kinder zur Welt, die sie leidenschaftlich liebte.
Ihr Mann hing an ihr, aber sie verabscheute ihn insgeheim mehr und mehr. Er hatte ihr Geld verspekuliert – auch das ein Grund, sie gegen ihn einzunehmen.
Nur eins erhellte ihr eintöniges Leben, die Hoffnung auf die Erbschaft. Dann würde sie Geld haben, unabhängig sein, ihre Kinder erziehen können, wie sie es wünschte. Studium bedeutete sehr viel für sie, die Professorentochter!
Vielleicht hatte sie den Plan oder doch den Gedanken schon im Kopf, als sie nach England kam. Chemie war ihr nicht fremd, da sie ihrem Vater lange Zeit im Laboratorium geholfen hatte. Sie kannte Miss Arundells Leiden und wusste, dass Phosphor das ideale Mittel für diesen Fall war.
Als sie ins Haus ihrer Tante kam, bot sich ihr ein einfacherer Ausweg. Bobs Ball – eine Schnur vor die Stufe! Ein schlichter, genialer, echt weiblicher Einfall.
Der Versuch misslang. Ich glaube nicht, dass sie Miss Arundells Verdacht ahnte, der übrigens lediglich gegen Charles gerichtet war. Gegen Bella verhielt sich Miss Arundell wahrscheinlich wie immer. Und so ging diese zurückgezogene, unglückliche, ehrgeizige Frau still und entschlossen daran, ihren ursprünglichen Plan auszuführen. Sie fand einen höchst geeigneten Träger für das Gift, die Leberkapseln, die Miss Arundell nach dem Essen zu nehmen pflegte. Eine Kapsel zu öffnen, den Phosphor einzufüllen und sie wieder zu schließen, war ein Kinderspiel. Die Kapsel wurde zu den anderen gelegt. Früher oder später musste Miss Arundell sie schlucken. Niemand würde an Gift denken. Und selbst wenn es der Fall wäre, befand sich Mrs Tanios weit vom Schuss.
Aber eine Maßnahme traf sie für den schlimmsten Fall. Sie beschaffte sich eine größere Menge Chloralhydrat in der Apotheke, indem sie eine Verschreibung ihres Mannes fälschte. Ich weiß, warum sie das tat – für den Fall, dass etwas schiefging.
Ich war überzeugt, dass Mrs Tanios die Gesuchte war, aber ich hatte nicht den geringsten Beweis. Ich musste vorsichtig sein. Wenn sie erriet, dass ich sie verdächtigte, hätte sie ein zweites Verbrechen begehen können… Ich glaube, sie hatte dieses zweite Verbrechen bereits ins Auge gefasst. Denn ihr sehnlichster Wunsch war, sich von ihrem Mann zu befreien.
Ihr erster Mord war eine bittere Enttäuschung gewesen. Der herrliche Reichtum, das berauschende Geld war an Miss Lawson gefallen! Es war ein furchtbarer Schlag, aber sie machte sich von neuem ans Werk. Sie begann Miss Lawsons Gewissen zu bearbeiten, das diese ohnehin schon zu drücken anfing. Nicht wahr?»
Lautes Schluchzen antwortete ihm. Miss Lawson weinte in ihr Taschentuch.
«Es war schrecklich!», heulte sie. «Es war so schlecht von mir. So schlecht! Ich war neugierig wegen des Testaments – warum Miss Arundell ein neues gemacht hatte, meine ich. Und eines Tages, als sie schlief, gelang es mir, die Tischlade zu öffnen – und da sah ich, dass sie mir alles vermacht hatte! Ich ahnte natürlich nicht, dass es so viel war! Ein paar tausend, dachte ich. Und schließlich, warum nicht? Ihre eigenen Verwandten machten sich doch nichts aus ihr! Und dann, als sie so krank war, verlangte sie das Testament. Ich bildete mir ein – ich war überzeugt, sie wolle es vernichten… Und da beging ich eine Schlechtigkeit und sagte ihr, dass sie es Mr Purvis zurückgeschickt habe. Die Arme, sie war so vergesslich! Konnte sich nie erinnern, wo sie Sachen hingetan hatte. Sie glaubte mir und sagte, ich müsse dem Anwalt schreiben. Ach, mein Gott – und dann ging es ihr immer schlechter, und sie hatte keine Gedanken mehr für etwas anderes. Dann starb sie. Als das Testament verlesen wurde und ich hörte, wie viel es war, da war mir furchtbar zu Mute. Dreihundertfünfundsiebzigtausend! Nie hätte ich mir träumen
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