Der Bann Der Magie
jüngere Priester lernten ihn nicht, aber er wußte, daß sich bereits jetzt, nach der ersten Anrufung, eine schreckliche Stille auf sie herabgesenkt haben sollte, alle Lichter erlöscht sein müßten, selbst der kühle Mondschein, der durchs Fenster auf den Kreis fiel, hätte sich verdunkeln sollen. Doch nichts dergleichen hatte sich getan.
». trenne dich von dieser Welt, denn ich, die ich aus Zeit und Gefilden jenseits komme, kehre nun zurück. Tod griff nach mir und versagte; Leben floß durch meine Adern und versagte; und ich, die beide besiegte, reise nun heim, wo die Zeit stillsteht, zu den leuchtenden Palästen, wo mein Platz unter den Unsterblichen meiner harrt.«
Ratten beobachteten sie von den Wänden. Nichts Lebendes außerhalb des Kreises hätte so dicht an den Schutzzaubern sein dürfen, ohne das Bewußtsein zu verlieren. Harran schwitzte noch mehr. Habe ich zu viel Honig in den Brotteig gegeben? Hat eine der beiden etwas falsch gemacht?
». und ich rufe alle Mächte als Zeugen und öffne das Tor mit den seit unendlicher Zeit von ihnen erkorenen Mitteln. Mit diesem Brot, in seinen eigenen Feuern gebacken, wie mein Leib durch sein eigenes Brennen lebt und geschürt wird, so rufe ich sie als Zeugen, wie es durch seinen Verzehr Teil von mir und ich Teil von ihm werde in dem alten Kreis, welcher der Weg der Götter ist, und wir beide in alle Ewigkeit unsterblich werden.«
Alle drei hoben ihre Brotlaibe auf und fingen an, sie zu essen. Harran stellte erleichtert fest, daß der Anteil Honig genau richtig war; es war auch sehr schön aufgegangen. Während er aß, kehrte eine gewaltige Stille ein.
Dann fuhr Siveni fort: »Und sehet gleichermaßen diesen Wein meines Jahrgangs, dessen Trauben in der Sonne brannten, so, wie mein Blut alle meine Tage auf dieser Welt im Lebenslicht in meinen Adern brannte und aus eigener Kraft zum Wein wurde, so, wie Blut und Denken Sterblicher aus eigener Kraft und zur rechten Zeit göttlich wurden. So trinke ich nun und mache den Wein zu einem Teil von mir und mich zu einem Teil von ihm und uns beide gleichermaßen unsterblich.«
Harran trank beruhigt den lieblichen alten Jahrgang und spürte, daß er, während der Zauber zu wirken begann, samtig und feurig die Kehle hinabrann und zu mehr denn Wein wurde, so wie er und die anderen mehr denn Sterbliche wurden. Siveni, ihm schräg gegenüber, verzog das Gesicht bei dem Geschmack des erst neun Monate alten Weines, und Harran mußte sich beherrschen, nicht zu grinsen und dabei seinen eigenen Wein zu verschütten. Die Stille wurde dicht. An den Seiten des großen Tempelraums schimmerten erstarrte Augen stumpf im Zauberlicht, das sich ringsum erhob. Harrans Herz hämmerte heftig. Es funktionierte offenbar doch. Diese leuchtenden Gefilde, die er erspäht hatte, dieser dauerhafte Friede, diese Ewigkeit, in der er lieben und arbeiten und mehr als ein Sterblicher sein konnte - würde endlich sein, nein ihrer sein.
». nun, da Brot und Wein geopfert, diese Riten durchgeführt sind«, sagte Siveni, und ihre Stimme wurde erschreckend klar »opfere ich, als letztes Zeichen meines Entschlusses, mein Blut, das Göttern alter Zeit entsprungen, nunmehr zu ihnen zurückkehrt; mein Blut, dem Göttlichkeit über Zeit und Verlust hinaus innewohnt.«
Alle drei traten vorwärts. Die Nacht hielt den Atem an, als Mriga das Glas, eine Mischung der drei Weine ihres Jahrgangs, hochhob. Dann zog sie ihre Leihklinge aus dem Gürtel, die im Zauberfeuer wie ein lebendes Wesen schimmerte und pochte, als habe sie ein Herz. Siveni streckte ihren Arm aus.
». damit wir davon trinken, wie es immer Gesetz war, das ich geschaffen habe, und so zu den unseren zurückkehren. Möge sich damit das Tor für uns öffnen.« Sie zuckte nicht zusammen, als die Klinge in ihr Handgelenk schnitt und ihr Blut in den Wein rann.
». mögen Tag und Nacht sich von uns trennen, möge die Zeit für uns sterben; laßt es uns vollbringen!«
Sie reichte Harran das Glas. Er trank und nahm sich vor, nicht auf den Geschmack zu achten, doch da erschien ihm, als würde der Geschmack eher ihn mißachten; die Flüssigkeit im Glas war von solcher Kraft, daß seine Sinne in ihr ertranken. Er taumelte, suchte nach Licht oder Gleichgewicht, fand jedoch weder das eine, noch das andere. Er kam sich so durchsichtig vor wie das Glas. Blind streckte er die Hand aus, spürte, wie Mriga ihm das Glas abnahm, spürte ihr Versinken wie sein eigenes. Dann nahm Siveni das Glas und leerte es. Die
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