Der Bann Der Magie
Shafralain war froh darüber, wenn er an seine Tochter mit den bezaubernden Grübchen dachte und an die Faszination, die dieser ungewöhnlich ruhige und geheimnisvolle Fremde auf sie ausübte.
Das spürte auch Strick, und eben das war der Grund, weshalb er die Einladung abschlug und sich verabschiedete, um allein durch die Dunkelheit dieser geteilten Stadt zu wandern.
Obwohl Fulcris am nächsten Tag die Goldene Oase schon vor Mittag betrat, fand er Strick bereits vor. Das war nicht verwunderlich, da Strick dort übernachtet hatte. Er war verhältnismäßig früh aufgestanden und hatte sich zum Frühstücken hinunterbegeben. Seither hatte er, von ein paar Fragen abgesehen, nicht geredet, aber aufmerksam zugehört. Fulcris setzte sich zu ihm an einen kleinen, polierten Tisch in der gepflegten Gaststube und trank mit ihm gespritzten Wein, während sie ihr frisch erworbenes Wissen über diese verfluchte Stadt austauschten.
Es hätte kaum schlimmer sein können. Zu viele verschiedenartige, machtbesessene Gruppen hätten versucht, die Herrschaft an sich zu reißen, und dabei zu viele unberechenbare Faktoren eingeführt, während die eigentlichen Herrscher, gesalbte und andere, unentschlossen waren und die Macht nicht ausübten, die sie von Rechts wegen haben mußten.
»Freistatt«, stellte Fulcris fest, »wird von König Chaos regiert.«
»Schwarzer Magie«, brummte Strick düster und sah aus, als wäre ihm übel. »Der Abgrund menschlicher Unmenschlichkeit.«
Freistatt hatte sich kaum an die rankanische Herrschaft gewöhnen können, als schon eine andere Invasion über die Stadt kam, diesmal vom Meer und durch ein Volk, das sich Beysiber nannte. Beide Männer hatten inzwischen bereits Angehörige dieser seltsamen, femininen Seerasse gesehen, deren Glupschaugen über ein drittes Augenlid verfügten.
Sie waren eines Tages einfach »mit etwa einer Million Schiffe« angekommen, hatte ein Mann Strick beim Frühstück erzählt, und das hieß soviel wie: »Hallo, willkommen im Beysibischen Reich!« Die Beysa, die matriarchalische Herrscherin der Beysiber, zog sogleich in den Palast ein. Niemand in Regierungskreisen unternahm etwas.
Alsbald kroch eine Gruppe aus der Gosse, die sich Volksfront für die Befreiung Freistatts nannte: eine Organisation, angeführt von einem reizbaren, eingebildeten Gassenjungen. Das Ziel, dem er sich verschworen hatte, war, die Invasoren zu vertreiben, mitsamt ihrer angeblich mit einer Göttin verwandten Herrscherin.
Tatsächlich aber waren er und seine Vobfs - so nannte man hier abfällig die Mitglieder der VFBF nur Mordbuben, die die harmlosen Ilsigs tyrannisierten, während das Fischvolk gedieh.
»Iisiger« verbesserte Strick Fulcris unwillkürlich. »Nicht Ilsigs.«
Dann machte sich eine weitere Gruppe breit, die sich Rankanisches 3. Kommando nannte, was immer das bedeutete. Nun war die bedauernswerte Stadt vierfach gespalten, aber keine der rivalisierenden Gruppen konnte sich rühmen, die Herrschaft zu haben.
Sie taten es trotzdem.
Inzwischen stritten und kämpften die Götter mit- und untereinander, die Leute brachten einander wahllos um, und der Alkoholkonsum stieg gewaltig. Ein roher Kerl namens Tempus und seine Schar frauenloser Söldner blieb gerade lange genug, die Lage für die Bürger zu verschlimmern, die abfällig >Winder< von ihnen genannt wurden. Als diese Schar abzog, hinterließ sie ein Vakuum, das zu noch mehr Kampf und zu noch mehr Morden an Schuldigen, Unschuldigen und Unbeteiligten führte. Anständige, gewöhnliche Bürger gingen furchterfüllt ihren täglichen Geschäften nach. Das taten übrigens auch andere, die weder anständige noch gewöhnliche Bürger waren. Jedenfalls war der normale Tagesablauf schon fast zu einem Kampf ums Überleben geworden.
Wozu wußte niemand so genau.
Als nächstes erschienen eine Vampir/Hexe und eine Nekromantin auf der Bildfläche - wer zuerst, das wußte offenbar niemand mehr; keiner blickte mehr durch, das Ganze war einfach zu viel, und dann kamen auch noch wahre Massen von lebenden Toten dazu. Die beiden Hexen jonglierten mit Menschen und Machtkugeln, und es fehlte eigentlich nur, daß sie um die bedauernswerte Diebeswelt würfelten. Frauen beherrschten Freistatt vollkommen. Der Gründergott schien abgedankt zu haben. Geschichtenerzähler benutzten Frauennamen für die Helden ihrer Geschichten, selbst wenn jeder wußte, daß es in Wirklichkeit Männer waren. Das zahlte sich allerdings nicht aus, immer weniger Münzen fielen in
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