Der Bann Der Magie
die Hüte der Geschichtenerzähler, doch das lag auch daran, daß ihre Phantasie nicht mehr mit der Wirklichkeit Schritt halten konnte.
Tote wandelten umher wie Lebende, und ein totes Pferd trabte mit klappernden Hufen über das Pflaster der Stadt, die gewiß inzwischen von allen Göttern verlassen war. Und vernünftige, intelligente Einwohner wie Shafralain verreisten.
Vor etwa fünfzehn Minuten hatte Fulcris erfahren, weshalb der Herrscher dieser Stadt - der junge rankanische Statthalter Kadakithis - nicht herrschte: er war zu sehr damit beschäftigt, Familienleben mit der fischäugigen Schlangenlady mit den nackten Brüsten zu spielen. Selbst seine rankanischen Landsleute blickten verächtlich auf ihn hinab und nannten ihn bei dem abfälligen Spottnamen, den die Winder für ihn erfunden hatten: Kittycat; allerdings nur hinter seinem Rücken.
Obwohl die Herrscherin Beysa ihren Busen inzwischen teilweise bedeckte, war ein tiefer Ausschnitt nun in Mode, aber dafür waren die Röcke nun lang, gerüscht und am Gesäß ausgepolstert.
»Ist mir aufgefallen«, gestand Strick, und Fulcris grinste.
»Mir auch. Die Röcke sind lächerlich und häßlich, aber das Gehopse darüber gefällt mir.«
Ein dämonisches Nashorn war Amok gelaufen, hatte Leute aufgespießt und Häuser zerstört.
»Kam aus einer Spelunke, dem Wilden Nashorn«, erzählte Strick kopfschüttelnd.
Fulcris starrte ihn kurz verwirrt an, dann lachte er schallend. »Einhorn!« korrigierte er. »Und es war auch ein Einhorn, kein Nashorn, das Amok gelaufen ist.« [14]
Strick zuckte die Schultern. »Schwärzeste Magie«, murmelte er und starrte in seinen Becher. »Diese Stadt ist gewiß von allen Göttern verdammt.«
»Aber weshalb lassen die Götter und die Leute es zu?« gab Fulcris zu bedenken und nahm einen Schluck. »Ihr habt doch gewiß von der - jetzt angeblich toten - Kriegsgöttin gehört, die irgend so ein Narr zurückgerufen hat, damit sie Angst und Schrecken verbreitet?«
Strick berichtete daraufhin, was er noch gehört hatte: daß jemand unvorstellbarer Weise in den Palast eingestiegen war und ebenso unvorstellbarer Weise das Zepter oder die Krone oder dergleichen der Oberschlangenlady gestohlen hat, ohne daß sie das geringste dagegen unternahm. Wirklich unvorstellbar! [15]
Ein halbwüchsiger Raufbold in Mädchengestalt trieb sich in der Kleidung eines rankanischen Arenakämpfers in der Stadt herum, beleidigte und bedrohte so gut wie jeden, dem sie begegnete, sogar jene, mit denen sie hurte. Fünf bestausgebildete Leibgardisten aus Ranke hatte man erniedrigt, Rinder oder Ziegen zu hüten oder Obstgärten zu bewachen, während ein Straßenerzähler im Palast aufgenommen worden war und nun Samt und Seide trug. Der rankanische Hohepriester widmete offenbar, obwohl der verheiratet war, einer Liebelei mehr Zeit als seiner priesterlichen Seelsorge.
Und König Chaos schwang sein Zepter über Freistatt.
Straßengeplänkel wuchsen zum Straßenkrieg aus. Blut floß in der Gosse, und jemand entzündete ein Feuer, das ziemlich viele Behausungen verschlang -hauptsächlich natürlich die von ohnehin schon Notleidenden. Danach wurde Freistatt von Regen heimgesucht, der für ein paar Jahre ausgereicht hätte, jedoch -in wenigen Tagen fiel. Jeder Fluß, Bach und Kanal beschloß überzulaufen.
»Zauberei«, murmelte Strick. »Abscheuliche Schwarze Magie. Asche und Funken, welch bedauernswerte, hilfsbedürftige Menschen!«
Eine versengte Stadt war von wirbelnder Flut gewaschen und von ihren Grundmauern geschwemmt worden. Irgendwann waren Tempus' hochzivilisierte bisexuelle Söldner zurückgekehrt und hatten auf barbarische Weise einen Trupp Männer in »ihrer« Kaserne niedergemetzelt. Weitere Unschuldige hatten in diesem Krieg den Tod gefunden. Inzwischen hatte in Ranke jemand ein Ende mit dem Kaiser gemacht, und sein selbsternannter Nachfolger - vom Generalsrang aufgestiegen! - besuchte Freistatt, um mal rasch guten Tag zu sagen. Mehr hatte er anscheinend nicht getan.
Vielleicht war aber er es gewesen, der alles erst recht vorangetrieben hatte: Der Krieg gegen die Hexen/
Vampire/Kreaturen wurde verstärkt fortgesetzt, und ein ganzes vornehmes Herrenhaus hatte tagelang, wahrscheinlich sogar wochenlang mit einer turmhohen Feuersäule gebrannt. Als das Feuer endlich erlosch, stand das Haus noch unversehrt, aber kaum jemand wagte sich mehr in seine Nähe.
»Ist immer noch so«, erklärte Fulric. »Außerdem ist auch eine der Hexen noch da, sie lebt
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