Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
hohe Steinwände ausmachte, die ein Oktogon bildeten. An einer dieser Wände befand sich eine rückwärtszählende Uhr mit einer zusätzlichen Datumsanzeige. Danach blieben noch zwei Tage und zwei Stunden.
Was würde dann geschehen? Würden die Unari das Gebäude fertig gestellt haben? Und würde dann der Gral eintreffen?
Acht Drachen waren an die Wände gekettet, und neben jedem von ihnen stand ein Unari-Wächter mit einer Peitsche.
Blut rann aus allen Körperöffnungen der Drachen. Sie waren so schwach, dass sie kaum mehr den Kopf hochhalten konnten. Dennoch brüllten sie – heiser vor Schmerz.
Rion krampfte sich der Magen zusammen. Und dann keuchte er auf. Gütige Göttin!
In den Augen eines der Drachen loderte die Wut. Es war genauso, wie er befürchtet hatte: Die Unari hatten seinen Vater gefangen genommen.
Die rückwärtszählende Uhr lief weiter, und nun kam auch noch eine Leuchtschrift hinzu:
»Zwei Tage und zwei Stunden bis zu eurem Tod.«
Rion tauchte aus der Vision auf und stellte fest, dass Marisa, Darian, Mendel und Lex ihn dabei beobachtet hatten. Er fühlte sich, als hätten ihm die Unari das Herz aus der Brust gerissen. Vor Schmerz krümmte er sich zusammen. Das Grauen überwältigte ihn.
Gütige Göttin.
Er kämpfte darum, die Kontrolle über seinen Atem zurückzuerlangen, reckte die Schultern und lief auf und ab. »Die Unari halten meinen Vater und sieben andere Drachenwandler beim Tyrannisierer im Palast gefangen.«
»Seid Ihr sicher?«, fragte Lex.
»Die Wände des Raumes haben ein Achteck gebildet, dabei gibt es drei solcher Räume im Palast. Ich habe eine rückwärtslaufende Uhr gesehen. Uns bleiben also zwei Tage, um sie zu befreien. Mein Vater hat nur noch zwei Tage zu leben.«
Rion starrte die Rebellen an. Am liebsten hätte er sofort angegriffen, doch sie benötigten unbedingt weitere Unterstützung. Die letzten Tage der Gefangenschaft und die vorausgegangenen Jahre des Mangels hatten bei den Männern ihre Spuren hinterlassen. Ihre Rippen waren sogar durch die Hemden hindurch zu sehen. Alle hatten eingefallene Wangen. Darian schwankte auf den Beinen. Als Mendel versuchte, ihn zu stützen, wären beide beinahe hingefallen.
Sie brauchten mehr als nur Rast und etwas Gutes zu essen. Vor allem brauchten sie zur Kräftigung ihrer unterernährten Körper Platin. Ein krächzender Schnittervogel segelte über die Mauer und lenkte Rions Blick auf den Himmel. Er beschattete die Augen. Hinter dem Schnittervogel flogen Unari-Gleiter in Kampfformation geradewegs auf die kleine Gruppe zu.
»Verdammt, los, fort von hier!«, rief Rion mit scharfer Stimme.
»Lauft! Lauft! Lauft!«, brüllte Lex.
Rion packte Marisas Hand, und gemeinsam hasteten sie auf den Tunnel zu. Die Rebellen rannten durch die Öffnung und kletterten rasch auf das behelfsmäßige Transportgefährt. Darian warf die Antigrave an. Und dann steuerte Lex sie mit rasender Geschwindigkeit durch den Tunnel.
Marisa hielt ihre Haare mit der Hand zurück, aber immer wieder entkamen einzelne Locken und umpeitschten ihr Gesicht. »Glaubst du, dass uns die Unari bemerkt haben?«
»Vielleicht war es ja nur ein Spähtrupp«, meinte Darian.
Rion und Marisa wechselten einen raschen Blick. Es war ganz offensichtlich, dass sie nicht an Darians Erklärung glaubten, aber sie sagten kein Wort.
Lex runzelte die Stirn und beugte sich über die Tür. »Dieser Tunnel bildet ein Y. Wenn wir zu der Gabelung kommen, sollten wir uns aufteilen. Das verringert die Gefahr, dass wir alle zusammen erwischt werden.«
Rion schüttelte den Kopf. »Nein. Wir bleiben lieber zusammen.«
Marisa hielt ihren Kopf schräg und sah ihn an. »Was denkst du gerade?«
»Wir werden nicht sofort zum Lager zurückkehren. Wir dürfen es nicht riskieren, die Unari dorthin zu führen.«
»Und was schlagt Ihr vor?«, fragte Lex. »Eine indirektere Route könnte uns Tage kosten.«
»Wir gehen ins Gebirge und holen uns Platin.« Trotz der blitzartigen Vision, die ihn vor den Gefahren der Berge gewarnt hatte, mussten sie doch unbedingt auf Nahrungssuche gehen. Seine Männer waren nur noch Haut und Knochen. »Wenn wir gegen die Unari kämpfen wollen, sollten wir bei Kräften sein.«
»Die Babys könnten auch etwas zu essen gebrauchen«, fügte Marisa hinzu. Sie drückte Rions Hand und senkte die Stimme so, dass nur noch er sie verstehen konnte. »Das mit deinem Vater tut mir leid. Aber … er lebt.«
Rion erwiderte ihren Händedruck, sagte aber nichts. Er wollte jetzt
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