Der Bann des Zeitreisenden (German Edition)
gesehen habe. Außerdem … habe ich einen Schnittervogel in der Luft gesehen.«
»Einen Schnittervogel?«
»Das ist ein Vogel, der seine Farbe von Braun zu Orange ändert, wenn er paarungsbereit ist, was etwa alle fünf Jahre vorkommt. Das letzte Mal, dass ich einen Schnittervogel zur Paarungszeit gesehen habe, war ungefähr ein Jahr vor meiner Abreise von Ehro.«
»Wie lange wird es also dauern, bis deine Vision Wirklichkeit wird?«
»Noch ein paar Wochen. Vielleicht sogar nur Tage.«
Nessie spuckte den Nuckel der Flasche aus. Geschickt warf Rion sie über seine Schulter, rieb ihr den Rücken und wartete auf das Bäuerchen.
Marisa riss die Augen auf. »Warum kannst du so gut mit kleinen Kindern umgehen?«
»Ich habe Cael und den beiden hier zugesehen.« Er warf einen Blick hinüber zu dem Zimmer, in dem der Junge, den Lucan und Cael adoptiert hatten, für gewöhnlich schlief. »Wo ist eigentlich Jaylon?«
»Bei einem Freund.« Marisa runzelte die Stirn; ihr Blick brannte sich in ihn ein. Etwas stimmte hier nicht. Rion konnte seine Erfahrungen im Umgang mit Kindern doch nicht nur bei den wenigen Gelegenheiten erworben haben, da er Cael und die Kleinen beobachtet hatte.
»Es tut mir leid, dass ich Jaylon verpasst habe. Er ist ein lustiger Kerl.«
Nessie rülpste, also nahm er sie wieder auf den Schoß und gab ihr den Rest der Milch, die noch in der Flasche war. Sie saugte eine Weile daran, dann fielen ihr die Augen zu.
Rion blickte zu Marisa auf – zu einer Marisa, die keine Angst mehr vor harten Fragen hatte. »Du kannst das alles nicht gelernt haben, nur indem du Cael zugesehen hast«, meinte sie offen heraus. Vor zehn Jahren hätte sie sich das niemals getraut.
Er verleugnete es nicht. »Warum legen wir Condor und Nessie nicht ins Bett? Dann können wir uns noch etwas unterhalten.«
Was hatte er wohl vor? Ohne ein Baby im Arm wäre sie in der Lage, sich ganz auf ihn zu konzentrieren. Dann konnte sie entscheiden, wie nahe sie ihm kommen wollte. Seine Geschichte rührte sie. Der Anblick seiner großen Hände auf dem Kind hatte ihr etwas gezeigt. Rion war seinem Volk leidenschaftlich ergeben. Er ging zärtlich mit Babys um. Aber er war auch Lucans bester Freund, und das machte die Dinge etwas kompliziert.
War er solche Komplikationen wert?
Ja. Die Antwort kam so schnell, dass sie mitten in der Bewegung anhielt. Sie sah auf das Kind in ihren Armen hinunter. Seit so vielen Jahren sehnte sie sich nach einem eigenen. Sie wollte noch immer Kinder haben, aber nur mit dem richtigen Mann.
War Rion dieser Mann? Sie wusste es nicht. Aber sie würde es niemals herausfinden, wenn sie keinerlei Risiko einging. Also musste sie so viel wie möglich über ihn in Erfahrung bringen – nicht nur seine Geschichte und seine Pläne für die Zukunft. Sie wollte herausfinden, was ihn zum Lachen brachte und glücklich machte. Sie wollte alles an ihm kennenlernen. Seinen Geschmack, seine Gefühle, sogar seine Denkweise.
Und dazu gab es nur eine einzige Möglichkeit: Sie musste näher an ihn herankommen. Wesentlich näher.
Diese Vorstellung erregte sie. Und gefiel ihr. Dann betrachtete sie seinen breiten Rücken und dachte über die Möglichkeiten nach.
Nachdem sie die Kinder in die Wiegen gelegt hatten, führte sie Rion in die Küche. Mit sicherer Hand schenkte sie ihm und sich selbst ein Glas Wein ein. Sie nippte daran und genoss das blumige Bouquet auf der Zunge. »Aus welchem Grund kannst du so gut mit Babys umgehen? Vor allem mit Drachenwandlerbabys?«
»Ich bin selbst ein Drachenwandler.«
Sie riss den Kopf herum und starrte auf seine Handgelenke. Daran waren keine Schuppen zu erkennen, sondern nur die bronzefarbene Haut. Und die Unterarme waren dick mit Muskeln bepackt. » Du willst … ein Drachenwandler sein?«
Rion drehte sein Handgelenk und hielt ihrem neugierigen Blick die bronzene Haut entgegen. »Die Ehronier sind nicht von den dunklen Purpurschuppen gezeichnet, die Cael den irdischen Drachenwandlern vermacht hat.«
»Weiß mein Bruder denn, dass es auf deiner Welt Drachenwandler gibt? Und dass du einer von ihnen bist?« Ihr eigenes Doppelherz schlug etwas schneller, als sie auf seine Antwort wartete.
Er ergriff ihre Hand, schlang seine Finger um die ihren und drückte sie. »Lucan weiß es. Cael ebenso, aber ich habe sie gebeten, mein Geheimnis nicht zu verraten.«
Und nun verriet er also auch ihr dieses Geheimnis. »Warum?«
Mit dem Daumen beschrieb er ganz winzige, aber umso erregendere Kreise auf
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