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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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Lukács ins Gesicht. «Und warum treibst du dich dann hier rum wie ein ungehorsamer junger Hund?»
    «Er findet mich schon früh genug.»
    «Sicher. Und wenn er dich gefunden hat, ist er wütend auf dich, weil du ihn ignoriert hast. Vielleicht kriegst du eine Abreibung. Obwohl – heute eher nicht. Er braucht seinen Kümmerling so vorzeigbar wie möglich, wenn er eine Chance haben will, ihn beim
végzet
loszuwerden. Zu schade, dass es kein
végzet
für Schwächlinge gibt, nicht wahr, du Zwerg?»
    Lukács schwieg. Jani zu schlagfertig zu antworten zog nur Gewalt nach sich. Nicht dass es ihm etwas ausgemacht hätte.
    Sein Bruder bemerkte die kleine Blindmaus. Sie sahen, wie der Nager seine vulvaähnliche Nase hob und prüfend die Luft schnüffelte. Dann, als hätte es etwas Übelriechendes in Janis Gegenwart gefunden, wandte sich das Tier ab.
    «Das passende Haustier für dich», feixte Jani. «Hör zu, Schwächling. Morgen Nacht, bei deinem
végzet
, wirst du nichts von deinen Brüdern erzählen, ist das klar? Wenn dich jemand fragt, dann sagst du,
du hast keine
. Kapiert?»
    Lukács sah ihn finster an.
    «Du kennst niemanden mit Namen Balázs Jani, verstanden? Ich will nicht, dass mein Name mit einem Krüppel in Zusammenhang gebracht wird.»
    «Er ist kein Krüppel, Jani.» Izsák betrat den Schuppen. Der Knabe reichte Jani nur bis zur Brust und verharrte in vorsichtigem Abstand.
    «Halt die Klappe, ’sák!», giftete Jani. Er drehte sich zu Lukács um. «Du wirst nichts von Brüdern erzählen. Und ganz gewiss nicht gegenüber irgendwelchen Mädchen von der Zsinka-Familie. Wenn du so taub bist, wie du tust, hast du sicher auch kein Problem damit, stumm zu tun, oder? Hast du das verstanden?»
    Lukács zuckte die Schultern.
    Jani packte ihn am Schopf und riss seinen Kopf zurück. «Ich habe dich gefragt, ob du das verstanden hast!»
    «Lass ihn in Ruhe!» Izsák machte einen weiteren Schritt auf Jani zu.
    Lukács war zu stolz, um sich gegen den Griff seines älteren Bruders zu wehren. «Schon gut, Jani. Kein Wort von Brüdern. Und ich rede mit keiner von den Zsinka-Nutten. Versprochen.»
    Er hörte Izsák kichern. Bevor er eine Chance hatte zu reagieren, krachte Janis Faust gegen seine Wange. Der Schlag warf ihn um. Schmerz glühte heiß in seinem Gesicht, doch er behielt die Kontrolle, presste die Lippen aufeinander und hob trotzig den Kopf – eine Herausforderung an Jani, erneut zuzuschlagen.
    «Vergiss nicht, was ich gesagt habe, Missgeburt.» Lukács’ Bruder knackte mit dem Knöcheln und wandte sich zur Tür. «Ich hole Vater.»
    Sobald Jani gegangen war, eilte Izsák herbei. «Tut es sehr weh?», fragte er.
    Lukács lachte. Der Schmerz seiner Backe war nichts im Vergleich zu dem Stich, den ihm die Worte seines älteren Bruders versetzt hatten. Die Wahrheit dahinter ließ Wunden aufbrechen, die in ihm schwelten, seit er zurückdenken konnte. Eine Litanei individueller Narben: ein älterer Bruder, der sich so sehr wegen Lukács schämte, dass er seine Existenz verleugnete. Ein Vater, den allein die alten Traditionen interessierten und der kaum noch einen Blick für ihn hatte, nachdem ihre Mutter gegangen war. Ein jüngerer Bruder, der zu klein war, um die tiefgründigen Dinge zu verstehen, die auf ihrer Familie lasteten, und dessen Verachtung Lukács so sicher treffen würde wie die nächste Ernte, sobald er nur alt genug war zum Begreifen.
    «Alles in Ordnung, Izsák.»
    «Er ist verliebt in die ältere der Zsinka-Schwestern. Aber sie ist nicht so begeistert. Deswegen ist er so verärgert.»
    «Klingt, als wäre die ältere der Zsinka-Schwestern ein kluges Mädchen.»
    Izsák kicherte. «Ich habe gehört, sie wäre eine dreckige
kurvá

    «Hey! Woher hast du solche Ausdrücke?»
    «Ich habe gehört, wie Vater sie so genannt hat. Er sagt, alle Zsinkas sind Schlampen.»
    Lukács grinste seinen jüngeren Bruder an, bis eine neue Silhouette in der Tür erschien. Er zuckte zusammen, als er seinen Vater husten hörte, ein tiefes, leises Rumpeln.
    «Izsák, lass uns alleine. Ich will mit deinem Bruder reden.»
    «Ja, Papa.» Er warf Lukács ein letztes mitfühlendes Lächeln zu, dann schlüpfte er nach draußen.
    Lukács’ Vater stand noch für eine Weile in der Tür, bevor er über die Schwelle trat. Er zog einen Holzstuhl unter einer Werkbank hervor, wischte den Staub herunter und setzte sich. Er roch nach Tabakqualm und Minzöl.
    Balázs József kramte in seiner Lederweste und brachte eine Tonpfeife zum

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