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Der Bann (German Edition)

Der Bann (German Edition)

Titel: Der Bann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen L. Jones
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Handgelenk. «Charles hatte einen Kontakt des Konzils in Genf aufgespürt. Ich wurde losgeschickt, um ihn zu treffen. Wir dachten zuerst, dein Vater wäre einer von
ihnen
. Mein Auftrag lautete, die Wahrheit herauszufinden.»
    «Das Eleni-Konzil?»
    «Genau das.»
    «Du bist ein Eleni?»
    «Ich war einer. Nicht mehr.»
    «Was ist passiert?»
    Er betrachtete seine Hände, die dicken Adern auf den Handrücken. «Ich wurde alt. Ich hatte das Bedürfnis nach Frieden. Und mir gefiel die Richtung nicht, in die sich die Dinge entwickelten. Die Richtung, die das Konzil eingeschlagen hatte, verstehst du? Eine neue Generation war aufgetaucht, und alles wurde viel militanter. Eine falsche Richtung, fand ich. Auf der anderen Seite kann ich nicht verhehlen, dass ich selbst heutzutage weniger tolerant bin als früher. Vielleicht war nur ich es, der sich verändert hat.»
    «Was hat dich hierhergeführt?»
    Sebastien hob den Kopf und begegnete ihrem Blick. In seinen Augen glitzerte ein smaragdfarbenes Feuerwerk, und sie meinte für einen Moment, große Traurigkeit darin zu entdecken und eine so tiefe Einsamkeit, dass sie erschrak. «Was ich dir erzählt habe, ist die Wahrheit. Ich lebe heute hier. Als dein Vater vor vielen Jahren nach einem Versteck suchte, kam ich mit ihm hierher. Das hier war sein erster Unterschlupf. Die Gegend ist wunderschön, die Einsamkeit, die Berge, die Stille. Als er Llyn Gwyr kaufte, fand ich ein anderes Haus ein paar Meilen weiter westlich, das ebenfalls zum Verkauf stand. Seitdem wohne ich hier.»
    «Allein?»
    «Mit Moses.»
    «Einem Hund.»
    «Bessere Gesellschaft als viele Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin.»
    «Welche Rasse ist er?»
    «Ein Magyar Vizsla. Eine alte Jagdhund-Rasse.»
    «Ungarisch?», fragte sie und hob die Augenbrauen.
    Sebastien lächelte. «Sie sind nicht nur hervorragend beim Aufspüren von Wild.» Er zuckte die Schultern. «Vielleicht ist es das, wofür sie in den alten Tagen gezüchtet wurden. Niemand kann das mit Bestimmtheit sagen. Du wirst feststellen, dass die meisten Eleni Vizslas halten.»
    «Erzähl mir von der Tätowierung.»
    Seine Finger strichen über die blauen Zeichen auf seinem Handgelenk, und er zog die Falten glatt. «Der Reichsadler. Das ehemalige Wappentier des Kaiserreichs Österreich-Ungarn. Dieser Tage so gut wie ausgestorben. Sämtliche Mitglieder des Konzils tragen einen Vogelkopf wie diesen. Je höher sie im Rang steigen, desto vollständiger wird der Vogel.»
    «Du hast die vollständige Silhouette.»
    «Ja. Ich war
Signeur
, als ich wegging.»
    Sie starrte ihn verblüfft an. «Du machst Witze.»
    «Du weißt, was das bedeutet?»
    «Ich weiß, was meine Mutter mir erzählt hat, und ein paar Schnipsel aus den Erzählungen meines Vaters. Der
Signeur
ist einer der drei Vorsitzenden. Traditionell der Vertreter des
Presidente

    Er nickte. «Wohingegen du in mir nur einen alten Einsiedler mit schlechten Manieren und knackenden Gelenken siehst.»
    «Nein, ich –» Sie stockte, dann zuckte sie die Schultern. «Ja. Ja, du hast recht.»
    Er lachte gackernd. «Ich schätze, wir kommen prima miteinander aus, du und ich.»
    «Hoffentlich. Ich habe nicht so viele Freunde im Moment.»
    Sebastien legte ihr eine Hand auf die Schulter und drückte sie sanft. Hannah verspürte einen absurden Anflug von Dankbarkeit für diese Geste. «Ich bin nicht der Einzige», sagte er. «Aber du kannst dich darauf verlassen, dass ich tue, was in meiner Macht steht, um dich zu beschützen.»
    «Er ist nicht hinter mir her. Sein Ziel sind die beiden unten.»
    «Ich weiß. Und …» Er zögerte. Schien über etwas nachzudenken. «Wir werden gemeinsam dafür sorgen, dass es nicht so weit kommt.»
    Sie nickte. Seine Zusicherung und seine unaufdringliche Menschlichkeit wärmten sie. «Du bist ein guter Mensch, Sebastien.»
    Er zog die Hand zurück und erhob sich. Er durchquerte das Zimmer, ging zur Tür und nach draußen in den Flur, um über das Treppengeländer nach unten zu spähen. Zufrieden kehrte er zurück und schloss hinter sich die Tür. Dann kam er zum Bett und nahm ihr gegenüber Platz. Als er sprach, war seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. «Schildere mir bitte noch einmal ganz genau, was passiert ist, nachdem ihr heute Abend Charles verlassen habt.»
    Sein ernster Gesichtsausdruck und die Vorsicht, mit der er sich überzeugt hatte, dass niemand sie belauschte, jagten Schauer der Angst über ihren Rücken. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug.

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