Der Barbar aus den Highlands
verbergen, auch wenn sie kein glaubwürdiges Lächeln zustande brachte. Doch als sie auf Anabel blickte, stellte sie fest, dass die Frau mit offenem Mund auf den Eingang zur großen Halle starrte, ebenso wie alle anderen. Und es war erstaunlich leise geworden.
Der Anblick von so vielen stummen Menschen mit weit aufgerissenen Augen und Mündern war zwar faszinierend, doch Cecilys Neugier brachte sie dazu, ihren Blicken zu folgen. Als sie den Mann erblickte, der dort stand, hielt nur ein plötzlicher Anflug von Stolz sie davon ab, es den anderen gleichzutun. Er war sehr groß, sehnig und muskulös. Sein langes schwarzes Haar reichte ihm über die breiten Schultern, auf beiden Seiten seines markanten Gesichts war es zu einem dünnen Zopf geflochten. Er trug einen dunkelgrünen, mit schwarzen und gelben Karos gemusterten Plaid. Seine Hirschlederstiefel und sein weißes Leinenhemd zeigten Spuren einer langen Reise. Hinter seinem Kopf ragte das Heft eines Breitschwertes auf. Ein weiteres Schwert hatte er gegürtet, und in seinem linken Stiefelschaft steckte ein Dolch.
Cecily war froh, dass sie sich nicht dazu hatte hinreißen lassen, die Highlander zu verteidigen. Dieser Mann sah wirklich aus wie ein prachtvoller Barbar. Sein Auftritt wurde gekrönt durch das, was er in den Händen hielt: zwei Wachen, die er an ihren Wämsern gepackt hatte und deren Beine in der Luft baumelten. Die Männer schienen sich nicht besonders zu wehren, dachte Cecily leicht belustigt, und ihr Häscher schien nicht besonders unter ihrem Gewicht zu leiden. Schließlich beschloss Cecily, dass jemand etwas tun musste. Sie atmete tief durch, um sich Mut zu machen, und ging auf den Mann zu.
3
A rtan musterte die Menschen in der großen Halle, die ihn mit offenem Mund anstarrten. Er rang um Beherrschung, doch es fiel ihm schwer. Sobald er in die Lowlands gekommen war, war seine Reise mühsam geworden. Auf Schritt und Tritt hatten ihn die Leute angestarrt, verspottet und beleidigt, oder sie waren vor ihm geflohen. Ab und an hatte er ein paar Köpfe aneinandergeschlagen, doch das hatte seine Laune kaum verbessert. Als man ihm den Eintritt ins Haus der Donaldsons verwehrt hatte, war das Maß voll gewesen. Doch der Empfang, der ihm in der großen Halle bereitet wurde, überbot alles Bisherige.
Aus den Augenwinkeln nahm er eine Bewegung wahr und verspannte sich etwas. Sein Blick fiel auf eine kleine, schlanke Frau mit dunkelroten Haaren, die auf ihn zuging. Während er sie musterte, fing sein Herz an, schneller zu pochen. Sie bewegte sich mit angeborener Anmut, die schlanken Hüften sanft schwingend. Ihr blaues Gewand war so tief ausgeschnitten, dass man die sanfte Schwellung ihrer Brüste erkennen konnte. Es waren nicht die üppigen Brüste, nach denen ihn normalerweise gelüstete, doch sie waren rund genug, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Als sie näher kam, bemerkte er, dass ihre großen, von dichten Wimpern gerahmten Augen tief dunkelgrün waren. Sein Herz schlug noch schneller. Ihr Gesicht war oval, ihre Haut makellos, ihre Lippen voll. Auf ihrer kleinen Nase zeigten sich ein paar Sommersprossen, und ihr Kinn ließ auf eine gewisse Sturheit schließen. Wenn das Angus’ Nichte war, hatte Artan bislang nichts dagegen, sie zu heiraten.
»Sir? Vielleicht solltet Ihr diese Männer loslassen. Ich glaube, sie leiden unter Atemnot.«
Ihre leise, rauchige Stimme klang so verlockend, dass Artan einen Moment lang brauchte, um zu verstehen, was sie gesagt hatte. Grummelnd blickte er auf die zwei Männer, die er noch immer hochhielt. Sie schienen tatsächlich schwer zu atmen. Schulterzuckend schleuderte er sie beiseite, dann starrte er auf die Leute, die erschrocken aufkeuchten und nach hinten auswichen.
»Danke, Sir«, sagte Cecily und musste sich ein Lachen verkneifen. »Dürften wir vielleicht erfahren, wer Ihr seid und was Euch zu uns führt?«
Als er sie mit seinen silberblauen Augen ansah, wurde Cecily ganz schwindelig. Rasch straffte sie die Schultern. Sie wusste nicht, woher es kam, dass dieser Mann es mit einem Blick schaffte, ihr die Fassung zu rauben, aber sie wollte ihm weiter mit ruhiger Gesetztheit begegnen.
»Ich bin Sir Artan Murray«, erwiderte er und deutete eine Verbeugung an. »Sir Angus MacReith hat mich geschickt.«
»Onkel Angus?« Cecily fragte sich, warum der plötzliche Gedanke, dass dieser Mann ein naher Verwandter sein könnte, sie so beunruhigte.
»Ach, dann seid Ihr also Lady Cecily Donaldson?« Artan musste dem Drang
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