Der Barbar aus den Highlands
einem einzigen stechenden Blick von Lady Anabel gleich wieder ernst wurde.
»Aber natürlich bleibt er, meine Liebe«, erklärte Sir Edmund, der mittlerweile ebenfalls zu ihnen getreten war. »Cecilys Onkel mütterlicherseits hat ihn zu uns geschickt. Es wäre eine Beleidigung, wenn wir ihn unhöflich behandelten.« Er lächelte Artan an. »Ihr könnt in den Gemächern des Lairds übernachten, und dann nach Glascreag zurückkehren und dem guten Mann einen ausführlichen Bericht über die Hochzeit seiner Nichte erstatten.« Er klopfte Sir Fergus auf den Rücken. »Und jetzt« – er winkte eine vollbusige, blonde Magd herbei – »wird sich Davida um Euch kümmern. Das Mahl wird in einer Stunde aufgetragen.«
»Nun gut, ich werde da sein.« Artan wandte sich an Cecily, nahm ihre Hand und hauchte einen Kuss auf den Handrücken. »Und dann müssen wir uns ausführlich über Euren Onkel unterhalten.«
Cecily sah, wie Artan mit Davida die Halle verließ. Rasch faltete sie die Hände auf dem Rücken, um unauffällig die Stelle zu berühren, auf die er sie geküsst hatte. Es war das erste Mal, dass ihr jemand die Hand geküsst hatte. Ihre Knie waren noch nie so schwach geworden, aber sie hatte auch noch nie einen Mann wie Sir Artan Murray gesehen.
Seufzend dachte sie daran, dass sich jetzt die dralle Davida um ihn kümmerte. Ein scharfer Stich der Eifersucht durchfuhr sie, denn sie wusste, dass das wollüstige Weib bald in seinem Bett liegen würde. Und Cecily konnte es ihr nicht einmal verübeln. Davida hatte wahrscheinlich noch nie ein solches Prachtexemplar von Mann gesehen und konnte ihr Glück wohl kaum fassen. Doch ihr Verständnis schmälerte nicht ihren Unmut. Es kam ihr im höchsten Maße unfair vor, dass Davida Sir Artan haben sollte, während sie sich mit Sir Fergus begnügen musste.
»Edmund, wie konntest du diesen Wilden bitten, hier zu bleiben?«, knurrte Anabel.
»Was blieb mir denn anderes übrig, Frau?«, erwiderte Edmund und verzog das Gesicht. »Angus ist Cecilys nächster Verwandter, und dieser Mann hat gesagt, dass der Laird krank ist und womöglich sogar stirbt.«
»Vielleicht sollte ich doch gleich zu ihm«, sagte Cecily, doch unter den bösen Blicken von Fergus, Edmund und Anabel zuckte sie zusammen und verstummte.
»Du bleibst hier«, erklärte Anabel. »Dieser Mann hatte in den letzten Jahren rein gar nichts mit dir zu tun, oder?«
Das war die traurige Wahrheit, auch wenn Cecily sich immer darüber gewundert hatte. Sie konnte sich noch gut an ihren Onkel erinnern, denn der große, etwas ruppige Mann war ihr gegenüber stets überaus freundlich gewesen. Bei ihrem letzten Besuch, der so tragisch geendet hatte, wollte ihr Onkel zwar vor allem Colin kennenlernen, der einmal sein Erbe sein sollte, doch er hatte auch viel Zeit mit ihr verbracht. Aber wie üblich tat sie dieses Rätsel schulterzuckend ab und sammelte ihren Mut, um Anabel wenigstens im Ansatz zu widersprechen.
»Das ist doch nebensächlich«, meinte sie. »Entscheidend ist, dass mein Onkel vielleicht bald stirbt. Da er mein nächster Verwandter ist, ist es meine Pflicht, ihn noch einmal möglichst bald zu besuchen.« Sie erstarrte, als Sir Fergus neben sie trat und den Arm um ihre Schultern legte, denn sie spürte keinerlei Zuneigung in dieser Geste.
»Aye, es ist in der Tat deine Pflicht«, meinte er. »Aber es ist auch deine Pflicht, hier zu bleiben und mich zu heiraten. Deine Pflegeeltern haben weder Kosten noch Mühen gescheut, um diese Festlichkeiten auszurichten. Und nachdem wir jetzt verlobt sind, bist du in erster Linie mir verpflichtet. Ich werde dich nach unserer Hochzeit zu diesem Mann begleiten.«
Cecily hätte zu gern widersprochen, und sie hätte einige gute Gründe vorbringen können, zum Beispiel, dass ihr Onkel schon gut sechzig Jahre alt war. In einem solchen Alter konnte selbst eine an sich harmlose Krankheit einen Menschen dahinraffen. Wenn sie bis nach der Hochzeit wartete, würde sie vielleicht nur noch Onkel Angus’ Grab besuchen können. Doch als sie Fergus, Anabel und Edmund musterte, wurde ihr klar, dass selbst die besten Argumente sie nicht umstimmen würden.
»Und weil du seine nächste Verwandte bist, kann es durchaus sein, dass du etwas erbst. Also werden wir auf alle Fälle nach Glascreag reisen und sehen, wie die Dinge stehen«, fuhr Fergus fort.
»Ganz recht, Sir Fergus«, pflichtete Edmund ihm bei. »Es ist eine lange, anstrengende Reise, aber vielleicht springt ja etwas dabei
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