Der Baron und die widerspenstige Schöne
finden.
„Angeblich zahlt man ihr einhundert Guineas pro Woche für ihren Auftritt“, sagte er, gebannt auf die kleine Gestalt über ihm schauend.
„Das ist natürlich nichts im Vergleich zu Woollatts Vermögen“, murmelte Luke ihr ins Ohr. „Sie werden sich von Madame eine Privatvorstellung geben lassen können, wann immer es Ihnen beliebt, wenn Sie erst einmal seine Gemahlin sind … autsch!“
Carlotta lächelte. Der Absatz ihrer Stiefelette war ihr doch „versehentlich“ glatt an Lukes Schienbein geraten. Ein kleiner Sieg nur, doch er nahm ihr die Anspannung.
Mr. Woollatt drehte sich um. „Oh, Sie sind das, Darvell. Verflixt eng hier, nicht wahr?“
Carlotta hielt den Blick entschlossen auf Madame Saqui gerichtet. Sie hörte Woollatt sagen: „Bitte bedrängen Sie die Dame nicht, vielen Dank. Ah, die Saqui macht die Wende. Bravo, Madam!“
Madame Saqui hatte sich graziös auf dem hohen Drahtseil umgedreht. Gedankenverloren stimmte Carlotta in den tosenden Applaus ein. Ein Kanonenschlag donnerte durch die Nacht, gleich darauf erhellte Feuerwerk den Himmel. Madame Saqui spazierte noch einmal leichtfüßig auf dem Seil hin und her, dann kletterte sie anmutig hinab. Während die Menge ihr erneut Beifall spendete und nach einer Zugabe rief, wagte Carlotta einen unauffälligen Blick über die Schulter.
Luke war fort.
4. KAPITEL
„Oh, das war herrlich!“, rief Lady Broxted. „Findest du nicht auch, Carlotta?“
„In der Tat, Tante. Sogar Onkel Broxted sah aus, als hätte er die Vorstellung genossen, nicht wahr?“
Lord Broxted schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. „Es war eine höchst ungewöhnliche Darbietung. Zwar habe ich die Saqui noch nie zuvor gesehen, aber sie soll im Drury Lane Theater aufgetreten sein. Eine äußerst wagemutige Frau.“
„Aber sie ist nicht sehr hübsch“, bemerkte Julia. „Ich habe sie mir zierlicher vorgestellt, eher zart wie eine Fee.“
„Nein, sie wirkte sehr männlich“, stimmte Carlotta zu. „Doch ihre Vorführung war hervorragend. Sollen wir zu unserem Tisch zurückkehren, Tante?“
Lady Broxted hakte sich bei ihrem Gatten ein. „Oh, ich denke, wir sollten zunächst einen kleinen Spaziergang durch die Gärten machen. Die Lampen tauchen die Wege in solch hübsches Licht. Wir müssen jedoch nicht zusammenbleiben. Wäre es Ihnen recht, Mrs. Price, wenn wir den jungen Leuten erlauben, allein zu flanieren?“
„Ja, natürlich, Madam!“
Carlottas Herz sank. „Warum sollen wir uns denn trennen? Ich bin sicher, du kennst die schönsten Wege, Tante.“
„Nun, wir werden ein sehr viel gemächlicheres Tempo vorziehen. Nein, Liebes, lasst euch von Lord Fairbridge und Mr. Woollatt herumführen. Daran kann in Gegenwart so vieler Menschen nichts Unschickliches sein.“
„Ja, ihr seid euch gegenseitig Anstandsdamen“, rief Mrs. Price fröhlich und scheuchte sie beinahe davon.
Carlotta hoffte, bei Julia Unterstützung zu finden, doch bei dem Gedanken, mit Lord Fairbridge durch den Garten zu schlendern, leuchteten die Augen der Freundin auf. Carlotta brachte es nicht übers Herz, ihr den Abend zu verderben. Also ergab sie sich in ihr Schicksal und ertrug geduldig die Gesellschaft von Mr. Woollatt. An unverfänglichen Gesprächsthemen mangelte es ihnen nicht, da jedoch Mr. Woollatt zu allem und jedem einen Vortrag zu halten pflegte, schweiften ihre Gedanken schon bald ab.
„… natürlich waren die dunklen Wege einst prädestiniert für anzügliches Benehmen“, bemerkte Mr. Woollatt, während er mit ihr über die Allee spazierte. „Wie Sie sich gewiss vorstellen können, war es in den kleinen Lauben, die Sie hier in regelmäßigen Abständen am Wegesrand sehen können, pechschwarz, bevor man die Lampen auf dem Hauptweg anbrachte. Die Gärten wurden mehr als einmal geschlossen wegen des zügellosen Benehmens, das sich hier abspielte.“
Carlotta seufzte innerlich. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sich ihr Begleiter jemals zügellos gebaren würde. Wo Julia und Viscount Fairbridge abgeblieben waren, wusste sie nicht, doch sie vermutete, dass ihnen der Abend viel mehr Vergnügen bereitete als ihr.
„Die Gärten wurden also geschlossen und die Besitzer aufgefordert, Lampen an den Wegen aufzustellen. Durch die farbenprächtige Beleuchtung ist das Lustwandeln im Park nun sehr viel angenehmer geworden, da stimmen Sie mir sicher zu, allein in den Lauben ist es immer noch viel zu dunkel.“
„Oh, ich stelle es mir sehr romantisch vor, im Dunkeln mit dem
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