Der Baron und die widerspenstige Schöne
wird nicht nötig sein. Ich denke, ich ruhe einfach einen Moment hier aus, dann wird es mir schon bald wieder besser gehen.“
Carlotta lauschte seinem schweren Atem und dachte unglücklich, dass sie ihn durch ihr kokettes Verhalten zu sehr aufgeregt hatte. Es wäre ihre Schuld, wenn er nun einen Herzschlag erlitte. Eine Träne kullerte über ihre Wange. Tante Broxted wäre entsetzt, wenn sie erführe, wie unziemlich sich ihre Nichte benommen hatte. Wahrscheinlich würde man sie unverzüglich zu ihren Eltern zurückschicken. Doch im selben Augenblick dachte Carlotta, dass sie nur zu gern in das kleine Cottage in Malberry zurückkehren würde. Sie schaute Mr. Woollatt an, der auf der Bank neben ihr zusammengesunken war. Sein Atem ging nun wieder sehr viel regelmäßiger, indes hatte er die Augen geschlossen.
„Mr. Woollatt?“
Träge öffnete er die Augen. „Oh, bitte um Vergebung, Miss Rivington“, sagte er schwach. „Offenbar bin ich nicht ganz Herr meiner Sinne. Bitte erlauben Sie mir, mich noch einen Augenblick zu erholen, dann bringe ich Sie zu Ihrer Familie. Ich bedauere diesen Vorfall zutiefst und möchte Ihnen versichern, dass mir so etwas noch nie zuvor geschehen ist.“
„Bitte sorgen Sie sich nicht, Sir“, antwortete sie erleichtert darüber, dass es ihm offenbar bereits wieder besser ging. „Ruhen Sie sich aus, solange Sie wünschen.“
Er tätschelte erneut ihre Hand, schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. Einige Minuten später hörte sie leises Schnarchen. Carlotta wusste nicht, ob sie entrüstet oder erleichtert sein sollte. Sie hoffte, Mr. Woollatt würde nicht zu lange schlafen, damit ihre Tante und ihr Onkel nicht in Sorge gerieten. Aber sie wollte ihn auch nicht hier zurücklassen, um allein durch die Gärten zu den anderen zurückzukehren. Es war bereits spät; von den angrenzenden Wegen drangen schallendes Gelächter und wüste Scherze zu ihr herüber. Gelegentlich hörte sie auch Schritte auf dem Kiespfad. Inständig betete sie darum, dass man sie in der schattigen Laube nicht entdeckte. Die Minuten verstrichen. Eine ganze Weile hielten sie sich nun schon ungestört in der Laube auf, und Carlotta gelang es allmählich, sich zu entspannen. Sie beschloss, dass sie lange genug reglos in der Dunkelheit ausgeharrt hatte, und suchte nach ihren Handschuhen. Da ließ eine Stimme hinter ihr sie plötzlich zusammenfahren.
„Miss Rivington. Welch freudige Überraschung.“
Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte Luke an der Säule, die den Sitzplatz begrenzte. Sein Gesicht lag, da die Lampen auf dem Weg sich hinter ihm befanden, im Schatten, also konnte sie seine Miene nicht lesen. Seine Haltung indes empfand Carlotta als offenkundige Beleidigung. Und auch sein Ton ließ vermuten, dass er keinerlei Freude ob dieser Begegnung verspürte. Sie sprang auf und ging zu ihm hinüber, einen Finger auf die Lippen legend.
„Mr. Woollatt ist eingeschlafen. Bitte wecken Sie ihn nicht auf“, sagte sie leise.
Verächtlich verzog er den Mund. „Haben Sie Ihren Liebhaber erschöpft?“
Carlotta zuckte zusammen. Sie hatte ihm soeben erklären wollen, was geschehen war, doch seine Worte machten ihr unvermittelt bewusst, wie die Situation einem Außenstehenden erscheinen musste. Mr. Woollatts Kleidung war in Unordnung, ihre Handschuhe lagen zu seinen Füßen. Flammende Röte färbte ihre Wangen. „Es ist nicht so, wie Sie denken.“
„Nicht?“
Er stieß sich von der Säule ab und trat auf sie zu. Unheilvoll ragte er über ihr auf. Carlotta spürte seine Wut und musste sich zwingen, nicht vor ihm zurückzuweichen. Dann aber erwachte der Trotz in ihr. Sie würde sich nicht von ihm einschüchtern lassen und ihm nicht die Genugtuung geben, sich an ihrer Bestürzung zu weiden.
„Woollatt sieht sehr zufrieden aus.“ Sein unverschämter Tonfall war wie ein Schlag ins Gesicht. „Haben Sie diese Fähigkeiten an der feinen Akademie erlernt, die Sie besuchten, oder ist Ihr Talent angeboren?“
Ob dieser offenkundigen Beleidigung rang Carlotta nach Luft. Die Erklärung, die ihr bereits auf der Zunge gelegen hatte, war vergessen. Noch bevor er seinen Satz beendet hatte, hob sie unwillkürlich die Hand, um ihn zu ohrfeigen, doch er war schneller und wehrte den Schlag ab, indem er ihr Handgelenk umfasste. Außer sich vor Zorn versuchte sie, sich ihm zu entreißen, doch er lachte nur, packte auch ihre andere Hand und hielt sie fest. Dadurch musste sie ihm näher kommen, ihr Busen berührte seine
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