Der Baron und die widerspenstige Schöne
ihr kaum widerstehen können. Noch einmal rief er sich in Erinnerung, wie sie ihr Gesicht ihm zugewandt hatte, stellte sich ihre zarten, makellosen Züge vor, den begehrenswerten Mund. Sie war ein entzückendes, bezauberndes Geschöpf, er fühlte sich fast magisch von ihr angezogen und war tatsächlich wieder in Versuchung geraten.
Mit wütend geknurrtem „Pardon“ schob er sich zwischen den Tanzenden hindurch und erntete mehrere verärgerte Blicke. Das allerdings war ihm egal, solange man ihm aus dem Weg ging. Er musste hier raus, um in Ruhe und Frieden seine Beherrschung wiederzufinden und darüber nachzudenken, warum Carlotta ihn derart in Rage brachte und solch heftige Gefühle in ihm auslöste.
Sobald er das wusste, würde er entscheiden, was er dagegen unternehmen wollte.
6. KAPITEL
Die Auseinandersetzung mit Luke hatte Carlotta stark mitgenommen. Um der Welt in den nächsten Tagen nicht die Stirn bieten zu müssen, behauptete sie daher, unter einer leichten Erkältung zu leiden. Lady Broxted zeigte sich ausgesprochen verständnisvoll.
„Du armes Lamm, aber das war ja zu erwarten, nach all den Verpflichtungen, die wir in der letzten Zeit wahrzunehmen hatten“, sagte sie. „Auf Lady Yateburys Soiree wirktest du schon recht blass und zerstreut. Sogar einige unserer Bekannten haben mich darauf angesprochen. Bleib eine Weile im Bett und erhole dich.“ Sie lächelte ihrer Nichte zu, wohlwollend Carlottas auf der Bettdecke liegende Hand tätschelnd. „Ich werde unsere Verabredungen in dieser Woche absagen, damit du auf unserer eigenen kleinen Soiree gut erholt bist.“
Als sich der Tag des festlichen Anlasses näherte, wurde Carlotta bewusst, dass Lady Broxteds „kleine Soiree“ eine recht große Festivität werden würde. Am Vorabend der Gesellschaft traf sie ihre Tante im Morgenzimmer sitzend an, von zahlreichen Papieren umgeben.
„Tante, hast du wirklich all diese Leute eingeladen?“, fragte Carlotta mit einem ehrfürchtigen Blick auf die Gästeliste, die sich über mehrere Seiten erstreckte. „Du sprachst doch von einem Abend im kleinen Kreis. Wo sollen sich denn all diese Menschen aufhalten?“
„Nun, in beiden Salons, selbstverständlich, und das Souper werden wir im Speisesaal anrichten. Wenn es trocken bleibt, können wir auch die Türen zur Terrasse öffnen und den Garten mit Laternen und Lampions beleuchten. Ich bin mir sicher, dass uns die meisten der geladenen Gäste die Ehre geben werden. Ich bin nämlich berühmt für meine Gesellschaften, musst du wissen. Natürlich haben wir zusätzliches Personal in der Küche angestellt und auch einige Fackelträger vor dem Haus …“
Carlotta hörte dem munteren Geplauder ihrer Tante nicht mehr zu. Eines der Blätter war auf den Boden gefallen. Sie bückte sich, um es aufzuheben, und als sie flüchtig die Namen überflog, gefror ihr das Lächeln. „Tante, sicherlich besteht kein Anlass, Lord Darvell einzuladen.“
„Natürlich musste er eingeladen werden, Kindchen. Ich glaube jedoch nicht, dass er kommen wird. Er ist sehr beliebt und ein gefragter Mann. Da er indes kein besonderes Interesse an dir zeigt, wird er meine Soiree wohl als viel zu fade ansehen und möglicherweise eine andere Unterhaltung vorziehen.“
Carlotta klammerte sich an diesen Gedanken. Gewiss gab es für einen jungen, lebenslustigen Baron aufregendere Zerstreuungen in London. Außerdem hatte er sehr deutlich gemacht, dass er sie verachtete.
Nein, höchstwahrscheinlich kam er nicht.
Carlotta betrachtete ihr Spiegelbild. Lady Broxteds Zofe hatte ihr Haar aufwendig frisiert, und das Resultat sah sehr hübsch aus. Winzige apricotfarbene Rosenknospen zierten ihre dunklen Locken und ergänzten farblich wunderbar die gestickten Rosen am Saum ihrer schweren cremefarbenen Abendrobe. Sie vollführte einige Tanzschritte vor dem Spiegel, um den Effekt zu bewundern.
„Sie sehen wunderschön aus, Miss, ja wirklich“, sagte Jarvis und betrachtete sie anerkennend. „Aber nun sollten Sie zu Ihrer Ladyschaft gehen, die Gäste werden jede Minute eintreffen.“
Carlotta nahm ihren Fächer und lief die Treppen hinunter zu ihrer Tante. Sie fand sie auf dem oberen Treppenabsatz in der Eingangshalle. Auch Lady Broxted war der Ansicht, dass ihre Nichte außerordentlich hübsch aussah, und Carlotta glühte vor Freude über das Kompliment, als sie ihren Platz an der Seite ihrer Tante einnahm. Schon wurden die ersten Gäste gemeldet. Carlotta fand es aufregend, die Damen in ihren eleganten
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