Der Baron und die widerspenstige Schöne
Pferd unruhig.
„Sind Sie bereit für einen Galopp, der Ihre Stute müde machen wird?“, hörte sie unvermittelt Lukes Stimme hinter sich. Sie drehte sich um und ließ den Blick über sein Pferd schweifen, ein schlankes schwarzes Jagdpferd, das aufgeregt tänzelte.
„Ich bezweifle, dass ich mit Ihnen mithalten kann.“
Er schenkte ihr ein verführerisches Lächeln, das ein Kribbeln tief in ihrem Inneren auslöste. „Versuchen Sie es“, meinte er.
Sie konnte der Herausforderung nicht widerstehen. Als der Hengst losstürmte, nahm sie mit ihrer Stute die Verfolgung auf, Mr. Woollatts Protesten keine Beachtung schenkend.
Ihr Pferd war ausgeruht und wendig, dennoch war sie nicht so schnell wie der Hengst. Carlotta lenkte Flame ein wenig zur Seite, damit sie von der Erde, die Lukes Pferd mit seinen Hufen aufwirbelte, nicht getroffen wurden. Tief über den Hals der Stute gebeugt, gab sie sich ganz der Aufholjagd hin, genoss den Wind im Gesicht, das rhythmische Geräusch der Hufe, während Flame förmlich über den Boden flog. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, Sattelleder und Pferd verband sich zu einer berauschenden Mischung, die ihre Sinne vor Wonne zum Klingen brachte. Viel zu bald erreichten sie den Waldrand, und der Hengst vor ihr wurde langsamer. Mit raschem Blick über die Schulter stellte Carlotta fest, dass sie die anderen weit hinter sich zurückgelassen hatten. Luke ritt weiter, erst im Schatten der Bäume zügelte er sein Pferd und wartete auf sie. Lachend schloss sie zu ihm auf. Auch Luke lachte.
„Gut gemacht. Wo haben Sie so gut reiten gelernt?“
„Mama hat es mir in Italien beigebracht. Sie ist eine ausgezeichnete Reiterin. Manchmal sind wir sogar ohne Sattel geritten.“
„Im Damensitz?“
„Natürlich nicht.“
„Miss Rivington, ich bin schockiert!“
Prüfend schaute sie ihn an. „Wirklich?“
„Nein, selbstverständlich nicht. Sie haben übrigens Schmutz im Gesicht.“
„Ach du liebe Güte, tatsächlich? Flame war Ihnen die meiste Zeit dicht auf den Fersen, da muss ich wohl einige auffliegende Erdkrümel abbekommen haben.“ Sie suchte nach ihrem Taschentuch.
„Wenn Sie Ihre Stute näher zu mir heranbringen, wische ich es fort.“
„Bitte rasch, bevor die anderen zu uns stoßen.“ Sie hielt ihm ihr Taschentuch hin und hob lächelnd den Kopf. Doch ihr Lächeln erstarb, als er ihre Finger umschloss. Die unerwartete Berührung ließ ihr Herz so schnell schlagen, dass sie glaubte, er müsse es hören. „Das sollten wir nicht …“ Sie versuchte, ihm die Hand zu entreißen, worauf sich sein Griff verstärkte.
„Wir sind Freunde, oder nicht?“, meinte er beiläufig, während er ihr Kinn mit dem Finger hochdrückte und vorsichtig mit dem Seidentuch über ihre Wange strich. Carlotta erbebte. Er war ihr so nah, sie konnte die kleinen Lachfältchen in seinen Mundwinkeln erkennen, die goldenen Tupfer in seinen haselnussbraunen Augen. Sie wollte ihm die Arme um den Nacken legen, damit er sie küsste, indes durfte sie es nicht. Eine kurze berauschende Beziehung hatte sie mit dem Sündhaften Baron genossen, und diese hatte ihr nur Herzschmerz bereitet. Das Risiko, dass es ihr wieder genauso ergehen könnte, wollte sie nicht eingehen.
„So, jetzt sind Sie wieder sauber.“
Er schenkte ihr ein solch liebevolles Lächeln, dass ihr die Knie weich wurden. „Gerade rechtzeitig. Ich höre die anderen kommen.“ Er griff nach Flames Zügel und hielt sie fest. „Solange wir noch allein sind, möchte ich die Gelegenheit nutzen und Ihnen erzählen, dass ich Ihre Eltern heute Morgen aufgesucht habe.“
„Haben Sie meinen Vater gesehen? Wie geht es ihm?“
„Sehr viel besser. Ich soll Ihnen einen Gruß bestellen.“ Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen. „Er lässt ausrichten, Sie sollen sich wie eine Dame benehmen.“
Sie unterdrückte ein Seufzen. „Das versuche ich ja. Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, sich für mich nach meinem Vater zu erkundigen.“
Seinen Blick konnte sie nicht deuten und wollte ihn schon fragen, worüber er nachdachte, als sie Hufschlag hinter sich vernahm. Gleich darauf erklang eine vorwurfsvolle Stimme.
„Meine liebe Miss Rivington, es war höchst unklug von Ihnen, in einem solch rasanten Tempo auf einem Pferd davonzupreschen, das Sie nicht kennen.“
Der magische Moment war vorüber. Luke hob den Kopf.
„Daran trage ich allein die Schuld, Woollatt“, rief er fröhlich. „Ich konnte auf den ersten Blick sehen, welch
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