Der Baron und die widerspenstige Schöne
ausgezeichnete Figur Miss Rivington im Sattel macht, und vermutete daher, ein Galopp würde ihr gefallen.“
„Das war höchst gedankenlos, Mylord, eine junge Dame auf diese Weise in Gefahr zu bringen.“
„Nein, ich bin gedankenlos gewesen“, warf Carlotta ein. „Schließlich habe ich Flame erlaubt zu galoppieren. Ich wollte sehen, wie schnell sie ist, und sie konnte es kaum erwarten, loszustürmen. Wie Sie selbst sehen, ist sie nun friedlich und sanftmütig. Seien Sie versichert, dass ich die Stute jederzeit hätte bremsen können.“
Da sie versprochen hatte, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, oblag es ihr nun, Mr. Woollatts Unmut zu beschwichtigen. Sie warf Luke einen entschuldigenden Blick zu. Sosehr sie es auch genießen würde, den restlichen Morgen in seiner Gesellschaft zu verbringen, wusste sie doch, was ihre Pflicht war. Sie wendete das Pferd und ritt an Mr. Woollatts Seite davon.
Nichts hatte Carlotta an diesem Tag mehr genossen als diesen Galopp durch den Park und den gestohlenen Augenblick mit Luke. Selbst die spontan arrangierte Tanzveranstaltung an diesem Abend konnte nicht an dieses Erlebnis heranreichen, denn obwohl sie mit Luke zwei Ländler tanzte, hielt sich Mr. Woollatt den ganzen Abend stets in ihrer Nähe auf und belegte sie bei jeder sich bietenden Möglichkeit mit Beschlag.
Als Lady Broxted ihrer Nichte an diesem Abend eine gute Nacht wünschte, war sie voll des Lobes.
„Ich gestehe, ich hatte befürchtet, dass Mr. Woollatt ein wenig verstimmt sein könnte, weil du ihn gestern einfach so stehen ließest. Aber heute hast du deinen Fauxpas mehr als wettgemacht, meine Liebe. Er hat in den höchsten Tönen von dir geschwärmt! Ich hege große Hoffnung, dass er sich dir morgen erklärt.“
„Glaubst du wirklich, Tante?“
„Ohne Zweifel, meine Liebe. Und nun, da du Zeit hattest, dich an den Gedanken zu gewöhnen, wirst du nicht mehr davonlaufen, nicht wahr?“
„Nein, Tante. Aber … sollte ich ihm nicht von … von Papa erzählen, bevor er mir einen Antrag macht?“, fragte Carlotta, nach dem letzten Strohhalm greifend.
„Nein, Kindchen, dein Onkel wird dies erledigen und anschließend mit Mr. Woollatt alles Nötige besprechen. Darum musst du dich nicht kümmern.“ Lady Broxted tätschelte Carlotta die Wange und meinte liebevoll: „Du bist ein gutes Mädchen. Denk nur daran, wie glücklich deine liebe Mama sein wird, wenn wir ihr erzählen, welch großartige Partie du gemacht hast! Aber jetzt ab ins Bett mit dir, Kind, damit du morgen auch gut aussiehst.“
Carlotta tat, wie ihr geheißen, indes wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Unruhig drehte sie sich von einer Seite auf die andere, während die Stunden vergingen und allmählich Stille im Haus einkehrte.
Erst in den frühen Morgenstunden fiel sie in einen unruhigen Schlummer, nur um im Morgengrauen bereits wieder aufzuwachen. Still lag sie da und lauschte. Es musste noch sehr früh sein, denn im Haus rührte sich nichts. Carlotta indes war hellwach. Sie schlüpfte aus dem Bett und ging hinüber zum Fenster. Am Horizont zeigte sich eine schmale goldene Linie, die von der aufgehenden Sonne kündete. Darüber war der Himmel blaurot gefärbt, während die Landschaft darunter sich immer noch in einen grauen Schleier hüllte.
Ihr Zimmer lag im Westflügel des Hauses mit Blick auf den Garten. Geisterhaft weiß glänzten die Statuen im Morgenlicht. Carlotta öffnete das Fenster. Die Luft war angenehm kühl. Tief einatmend dachte sie über ihre Lage nach. Sicher war es gar nicht so schrecklich, mit Mr. Woollatt verheiratet zu sein. Er war zweifellos sehr nett und so reich, dass es ihr an nichts mangeln würde. Vielleicht besäßen sie sogar ein Haus wie Malberry Court und Stallungen mit vielen Pferden. Allerdings werde ich mich wohl heimlich hinausschleichen müssen, wenn mir der Sinn nach einem Galopp steht, dachte sie lächelnd.
Woher also rührte ihre Sorge? Sie kannte einige Paare, die eine harmonische Ehe führten. Mr. und Mrs. Ainslowe waren ganz offenkundig äußerst glücklich, und auch bei ihrer Tante und ihrem Onkel hatte sie nie eine Missstimmung gespürt. Es bestand also kein Grund zu der Annahme, dass sie in ihrer Ehe nicht ebenfalls glücklich werden konnte. Sie dachte an Julia und Lord Fairbridge. Ihr waren die glühenden Blicke aufgefallen, die beide beim Tanz getauscht hatten. Unvermittelt zog sich ihr Herz zusammen, und sie wünschte, sie könnte für Mr. Woollatt wenigstens eine gewisse Zuneigung
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