Der Baron und die widerspenstige Schöne
empfinden. Doch sie wusste, dass es nur einen Mann gab, der solche Emotionen in ihr weckte. Nein, mahnte sie sich. Sie durfte nicht an ihn denken, denn das führte zu nichts.
Plötzlich erregte eine Bewegung unterhalb ihres Fensters ihre Aufmerksamkeit. Sie spähte in den Garten. Eine schattenhafte Gestalt glitt nahe an der Mauer zum Haus. Einer der Dienstboten, dachte sie, der von einem Rendezvous mit seiner Geliebten im Dorf zurückkehrt. Indes machte sie dieser Gedanke noch trauriger, als sie es zuvor schon war. Seufzend ging sie zurück ins Bett und hoffte, eine weitere Stunde Schlaf zu finden, bevor das Mädchen ihr die heiße Schokolade brachte.
Aufgrund der ruhelosen Nacht verschlief Carlotta am nächsten Morgen und war noch reichlich müde, als die Zofe sie weckte und verkündete, dass sie das Frühstück versäumt hätte und ihre Tante sie unverzüglich in der Bibliothek sehen wolle. Sie wusste sofort, warum Lady Broxted sie holen ließ. Plötzlich schien ihr der Stoff ihres geblümten Musselinkleides mit den winzigen Puffärmeln viel zu dünn, um sie gegen den eiskalten Schauer zu wärmen, der sie überlief. Wohl wissend, dass es an der Aufregung liegen musste, widerstand sie der Versuchung, sich in ihren Paisleyschal zu hüllen, bevor sie nach unten ging.
Ihr Onkel wartete bereits im Vorzimmer zur Bibliothek auf sie. Als sie die Tür öffnete, winkte er sie zu sich. Im selben Augenblick trat ihre Tante aus der Bibliothek.
„Ah, da bist du ja, meine Liebe.“ Nachdrücklich schloss sie die Tür. „Und du trägst dein neues Kleid, sehr hübsch. Mr. Woollatt erwartet dich.“
Der Kloß in Carlottas Kehle wurde noch größer. „Tante … ich …“
Ihr Onkel griff nach ihrer Hand. „Geh zu ihm, meine Liebe“, sagte er freundlich. „Du weißt, was du zu tun hast.“
Carlotta schaute von ihm zu ihrer Tante, die ihr ermutigend zunickte. Die Schultern straffend durchquerte sie das kleine Vorzimmer, doch vor der Tür zur Bibliothek hielt sie inne. „Tante, ich kann das nicht tun.“
„Unsinn, Liebes. Was musst du denn schon tun? Mr. Woollatt ist kein Ungeheuer.“
„Das weiß ich, aber …“
Lord Broxted hob die Hand. „Carlotta, jetzt ist nicht der rechte Zeitpunkt, um Schwierigkeiten zu machen. Mr. Woollatts Absichten sind dir seit mehreren Wochen bekannt. Wenn du einer Ehe mit ihm abgeneigt bist, hättest du uns das früher mitteilen sollen.“
„Nein, nein, das ist es nicht …“ Carlotta rang die Hände.
Sanft umschloss Lady Broxted Carlottas Finger.
„Ich verstehe dich, Liebes. Du hast Angst. Das ist nur natürlich, aber deine Furcht ist völlig unbegründet. Dein Onkel hat selbstverständlich Erkundigungen eingeholt. Mr. Woollatt ist als rechtschaffener Mann bekannt, und er wird dir ein guter Gatte sein.“
„Außerdem hat er bereits angedeutet, dass er sich dir gegenüber recht großzügig zeigen will“, fügte Lord Broxted hinzu. „Diese Partie wird auch für deine Eltern sehr vorteilhaft sein.“
„Ich bin sicher, Mr. Woollatt ist ein Ehrenmann, wie ihr sagt, aber …“ Sie brach ab, da sich eilige Schritte aus der Halle näherten.
„Oh, bitte um Verzeihung.“ Luke stand schon im Vorzimmer, bevor er bemerkte, dass sich jemand im Raum befand. „Ich habe meine Reithandschuhe hier liegen lassen.“ Er schaute von Carlotta zu Lady Broxted. „Ich hoffe, ich habe nicht gestört.“
„Bitte Mylord, lassen Sie uns einfach allein“, sagte Carlotta aufgewühlt.
„Vielleicht könnten Sie uns in dieser heiklen Angelegenheit aber auch helfen, Sir.“ Lady Broxted schloss rasch die Tür. „Sie haben sich als wahrer Freund meiner Nichte erwiesen, und Ihr Rat wäre uns sehr willkommen.“
„Nein“, flüsterte Carlotta, allerdings so leise, dass niemand ihren Einwand vernahm.
„Ja, vielleicht wird sie auf Sie hören“, murmelte Lord Broxted unwirsch.
Luke hob fragend die Augenbrauen.
„Mr. Woollatt wartet hinter dieser Tür“, erklärte der Earl und deutete auf die Bibliothek. „Meine Nichte muss nur hineingehen und seinen Antrag annehmen. Sie wird jeden Luxus genießen können, nach dem ihr der Sinn steht. Sie hat wahrhaft Glück, dennoch zögert sie. Ich bitte Sie, Darvell, raten Sie ihr, wie wir zuvor, den kleinen Schritt zu tun, der ihr ein Leben in Annehmlichkeit und Glück sichern wird – und ihrer Familie obendrein.“
Carlottas Wangen waren von flammender Röte überzogen. Sie wagte nicht aufzusehen, als Luke das Wort ergriff.
„Miss Rivington muss tun,
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