Der Bastard und die Lady
wäre es die einzige Stadt in Schottland, wohin man durchbrennen kann, verstehen Sie? Sie sind die Ersten seit vierzehn Tagen, und das will niemand versäumen.“ Er rückte näher an Beau heran. „Ehrlich gesagt, Sir, hier in Coldstream gibt es sonst nicht viel zu tun.“
„Oliver? Ist etwas nicht in Ordnung?“
Beau ging zurück zur Bank und setzte sich. „Offenbar bekommen wir Publikum“, erklärte er, hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung und Belustigung. „Stört es dich?“
Chelsea blickte auf die kleine, aber mittlerweile wachsende Menschenansammlung. „Sie winkt mir zu“, sagte sie und hob sogleich mit einem kleinen nervösen Lächeln auf den Lippen selbst ein wenig zögerlich die Hand, um zurückzuwinken. „Was, meinst du, sollte ich mit ihnen reden?“
„Und was willst du sagen, in drei Teufels Namen?“
„Ich weiß nicht. Sollte ich mich vielleicht für ihr Kommen bedanken?“
Beau massierte seine Nasenwurzel. „Ja, gut. Geh und tu das. Geh und spiel die Gastgeberin. Ich bleibe einfach hier sitzen und denke mal wieder über meine Sünden nach.“
„Fang am besten damit an, dass du mir nichts über deine Pläne für den heutigen Tag gesagt hast“, riet Chelsea ihm zuckersüß. Dann erhob sie sich und ging zu der Gruppe von … konnten sie als Hochzeitsgäste bezeichnet werden?
Doch eine halbe Stunde später war es vollbracht. Beau trug ein Zweiglein weißen Heidekrauts an seinem Jackenaufschlag, das Mr McTavish ihm gegeben hatte, Chelsea hielt einen kleinen Strauß irgendwelcher gelben Blümchen in der Hand, Mr McHugh rollte sein R während der gesamten Zeremonie, Mrs McTavish schluchzte nicht eben leise in ihr Taschentuch, Beau drehte an seinem Siegelring, bis er ihn vom Finger streifen und auf Chelseas Finger schieben konnte – er fiel prompt herunter –, sie unterzeichneten die Heiratsurkunde als Oliver Le Beau und Lady Chelsea Blackthorn, Chelsea gab allen Frauen einen Abschiedskuss, und McHughs Mutter bestand darauf, etwas, das wie ein kleiner, vermutlich muffiger Weizenkuchen aussah, zu zerkrümeln und die glückbringenden Brösel über das Paar auszustreuen, als sie das Zollhaus verließen.
Zusätzlich zu dem Blumensträußchen hielt Chelsea ein zusammengefaltetes Blatt Papier mit den Adressen ihrer Hochzeitsgäste in der Hand, denn zurück in England wollte sie allen „als kleines Dankeschön“ etwas schicken. Ach ja, und sie würde überall verbreiten, dass Coldstream eine bedeutend bessere Wahl sei als Gretna Green, das heißt, wenn jemand durchbrennen und heiraten wollte.
Beau war überzeugt, dass seine Kopfschmerzen sich irgendwann verflüchtigen würden, wenn auch vorerst noch nicht.
Was nicht heißt, dass er nicht überglücklich war, mit dieser einzigartigen und wunderbaren Frau verheiratet zu sein. Überglücklich war er. Aber etwas an der Vorstellung, eben noch ein unbeschwerter Junggeselle gewesen und im nächsten Moment plötzlich verheiratet zu sein, war gewöhnungsbedürftig. Er war frei gewesen. Nicht unbedingt wild, aber frei. Jetzt war er … gezähmt. Beinahe über Nacht.
Doch je länger er auf dem Weg nach Gretna Green darüber nachdachte, desto bewusster wurde ihm, dass er sich jetzt auch vollständig fühlte, noch mehr als in der vergangenen Nacht … Als hätte ein Teil von ihm, von dem er nichts wusste, gefehlt und wäre endlich an seinem Platz eingesetzt worden. Viel mehr Menschen sollten es so machen – heiraten. Dann wäre die Welt ein besserer Ort.
Wenn er jetzt nur wüsste, wie er die Weizenkuchenkrümel loswerden konnte, die ihm unters Hemd geraten waren … Doch andererseits wusste er auch, dass er bald dem Earl of Brean gegenübertreten würde und ein paar Kuchenkrümel im Grunde das geringste seiner Probleme waren.
Chelsea saß in dem Gasthaus am Wegesrand an einem kleinen Tisch. Das Kinn in die Hand gestützt, betrachtete sie ihren Ehemann. Ehemann . Sie ließ sich das Wort auf der Zunge zergehen. Den schottischen Akzent Mr McHughs traf sie nicht ganz, aber es klang trotzdem nett.
„Ich bin sehr glücklich“, ließ sie Beau wissen und kaute ein Stückchen Salzkartoffel. „Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass du recht hattest. Ich bin so froh, dass wir nicht einfach versucht haben, vor Thomas in Gretna Green anzukommen und uns in aller Eile irgendeiner halbseidenen Zeremonie zu unterziehen. Und nachdem nun die Tat vollbracht ist , kann Thomas wirklich nicht mehr viel ausrichten.“
„Er könnte mich erschießen“, gab
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