Der Bastard und die Lady
aber zur Taufe komme ich zurück.“
Beau hätte um ein Haar sein Glas fallen lassen. „Was?“
„Weißt du, du musst schon mit ihr schlafen, sonst verlangt Brean die Annullierung, und was Beweise angeht, ist nichts überzeugender als ein Kind in den Armen. Und er wäre in der Lage, die Heirat für null und nichtig erklären zu lassen, denn er ist der Earl, und du bist der … Weißt du, Beau, selbst auf Französisch geht mir das Wort Bastard nicht so einfach über die Zunge. Ah, aber die Tochter eines Earls als Schwägerin? Die Vorstellung gefällt mir.
Sei lieb zu ihr, Bruderherz. Wir steigen dank dieser Verbindung wohl nicht auf, aber sie sinkt tief, mächtig tief. Ich frage mich, ob sie wirklich weiß, wie tief sie fällt.“
6. KAPITEL
A m folgenden Morgen taumelte Chelsea zur gottlos frühen fünften Stunde ins Frühstückszimmer, nachdem der ungemütlich förmliche Wadsworth ihr den Weg gewiesen hatte. Dort entdeckte sie Beau am Kopf des Tisches. Er trug Reisekleidung und sah, wenn möglich, noch schlimmer aus, als sie sich fühlte. Vor ihm lag ein offener Brief, den er las und dessen Inhalt ihm offenbar nicht behagte.
„Nein, nein, stehen Sie meinetwegen doch nicht auf“, sagte sie. Vor Sonnenaufgang war sie selten in Höchstform, und es war nicht sein finsteres Gesicht, was ihr Mitgefühl weckte. „Wir können schließlich kaum noch zwangloser sein als gestern Abend.“
Er hob den Blick und sah sie an wie eine Eule, als wäre er überrascht, sie noch in seinem Haus anzutreffen. „Was?“
Sie nahm einen Teller von der Anrichte, winkte den Diener fort, der aus dem Schatten trat, um ihr zu helfen, und begann, sich weichgekochte Eier und eine dicke rosa Scheibe köstlichen Schinkens aufzufüllen – köstlich, solange sie nicht an Thomas und seine Gesichtsfarbe dachte.
Sie gab noch einen Apfel und zwei Scheiben Brot dazu. Wenn sie mit diesem Mann unterwegs sein musste, dann sollte sie sich den Bauch wohl vorab möglichst voll schlagen. Schließlich hatte er ihr am Vortag bewiesen, dass er offenbar nie auf die Idee kam, eine Frau könnte aus unaussprechlichen persönlichen Gründen gelegentlich eine Pause benötigen,
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie, gestattete dem Diener, ihr den Stuhl zurechtzurücken, und setzte sich. „Sie ziehen ein noch grimmigeres Gesicht als sonst.“
Beau faltete den Briefbogen und legte ihn neben seinen Teller, wo sich bereits andere Postsachen stapelten.
„Ich habe die gestrige Post durchgesehen, die eintraf, als wir schon zu unserem kurzen Ausflug ins Nirgendwo aufgebrochen waren.“
„Doch nicht ins Nirgendwo. Wir sind wunderbar im Kreis geritten. Wenn ich’s mir recht überlege, hätten wir drei uns einfach auf dem Dachboden verstecken können, bis Thomas wieder fort war.“
Beau lächelte nicht. Er runzelte auch nicht die Stirn. Er saß nur da und klopfte mit zwei Fingern auf den gefalteten Briefbogen.
„Ach, du liebe Zeit. Irgendetwas stimmt doch nicht, und Geheimnisse kann ich nicht ausstehen. Ich entlocke es Ihnen sowieso irgendwie. Darin bin ich ziemlich geschickt, was die Tatsache beweist, dass ich Ihnen bezüglich der verdorbenen Trauben und dem Rest auf die Schliche gekommen bin. Sagen Sie es mir einfach. Und nur, damit Sie es wissen, dieses Fingerklopfen kann ich auch nicht ausstehen.“
Er blickte auf seine Hand und schien seinen Fingern zu befehlen, die Bewegung einzustellen. „Hätte ich Ihnen gestern die Tür gewiesen, hätten Sie dann einen anderen Ausweg aus Ihrer Zwangslage gewusst? Vielleicht, indem Sie die geplante Heirat mit dem Mann mit den feuchten Lippen gegen meinen Kopf auf einem Silbertablett eingetauscht und Ihrem Bruder erzählt hätten …“
„Indem ich ihm erzählt hätte, wie Sie sich mit ihm amüsiert haben? Wenn es die einzige Möglichkeit gewesen wäre, Francis Flotley zu entkommen – ja, dann hätte ich das vielleicht getan. Ich bin nicht ganz so nett, wie mancher, ich eingeschlossen, vielleicht wünscht, aber ich bin eine Mills-Beckman, und das ist wahrscheinlich eine ausreichende Entschuldigung. Doch ich kenne Thomas. Das hätte das Unvermeidliche nur hinausgezögert, und dann wären Sie tot oder im Gefängnis oder nach Botany Bay deportiert, und wo wäre ich dann? Dann gäbe es gar keinen Ausweg mehr für mich. Das wär’s.“
„Ja“, sagte Beau und blickte sie merkwürdig an. „Das wär’s. Habe ich nicht ein Glück? Kaum zu glauben, dass ein Bastard sich zur Hochzeit mit einer Dame der feinen
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