Der Bastard und die Lady
unerträglich kratzt, und einem Hemd, dass kein ehrbarer Lumpensammler im tiefsten Piccadilly zum Kauf anbieten würde. Wo hast du noch gleich diese Sachen gefunden?“
Chelsea senkte das Kinn und antwortete sehr leise.
„Wie bitte? Ich habe nicht verstanden.“
„Ich habe gesagt, ich habe sie von der Frau des Gastwirts ausgeliehen. Für zehn Pence. Sie will sie zurückhaben.“
„Ach, nein, wirklich? Aber ich hätte sie so gern behalten.“ Beau lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und streckte unterm Tisch die Beine aus. „Allmächtiger. Sich vorzustellen, dass ich noch vor ein paar kurzen Tagen ein glücklicher Mann, ein noch recht junger, ein recht gut situierter, wohlhabender und völlig unbelasteter Mann war. Jetzt werde ich von einem wütenden Bruder verfolgt, von zwei zornentbrannten Vätern gejagt und habe eine Beinahe-Ehefrau und zwei Kindergartenkinder am Hals.“
Chelsea lachte entzückt. „Sie sind keine Kinder, Oliver. Sie wollen heiraten. Und du hast Madelyn und Francis Flotley vergessen.“
„Und die verfluchten Hunde“, sagte er, setzte sich aufrecht hin und berührte über den Tisch hinweg Chelseas Hand. „Entschuldige. Ich sollte das Komische an diesem Abenteuer sehen, wie du es tust. Puck hat recht, ich werde alt und trübselig.“
„Nein“, sagte Chelsea und stütze das Kinn in die freie Hand, „du bist verantwortungsbewusst. Wahrscheinlich, weil du der älteste Bruder bist. Thomas jedenfalls erinnert mich immer wieder daran, dass er der Ältere und damit für mich verantwortlich ist Und wir können die beiden nicht einfach ihren eigenen Entscheidungen überlassen, Oliver, oder?“
Beau war klar, wenn er ihr eine ehrliche Antwort gab, würde Chelsea ihn anschauen, als hätte er gerade verkündet, es mache ihm Spaß, Schmetterlingen die Flügel auszurupfen. „Nein. Nein, natürlich nicht. Erstens glaube ich nicht, dass sie Entscheidungen treffen können. Es ist unsere … unsere Christenpflicht. Oder so ähnlich. Wir können sie eindeutig nicht ihren eigenen Entscheidungen überlassen, die zu treffen sie unfähig sind. Mein Gott, sie könnten auf die Idee kommen, sich mit offenem Mund in einen Platzregen zu stellen, und ertrinken.“
„Sie sind keine Schafe, Oliver“, sagte Chelsea streng. Sie beugte sich vor und stützte beide Ellenbogen auf den Tisch. Ihre Augen leuchteten, ihre Miene war beinahe glückselig. „Ich habe einen Plan ausgearbeitet.“
Beau, der gerade seine letzten Worte mit dem Rest Bier herunterspülen wollte, hätte um ein Haar losgeprustet und Schaum versprüht. Ungeschoren kam er nicht davon – es dauerte eine volle Minute, bis er aufhören konnte zu husten.
Die ganze Zeit über, auch noch, als er sein Taschentuch aus der grob genähten Tasche seiner geborgten Hose zog, sah Chelsea ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Manchmal bist du nicht sonderlich amüsant, Oliver.“
Er wischte sich ein letztes Mal die Augen und steckte das Taschentuch wieder ein. „Ich wäre fast erstickt. Manch andere Verlobte wäre aufgesprungen und hätte mir kräftig auf den Rücken geschlagen, weißt du?“
„Ich habe mit dem Gedanken gespielt“, sagte Chelsea und faltete die Hände auf dem Tisch, „aber ich hatte keine Waffe. Willst du meinen Plan hören oder nicht?“
„Spiele ich irgendeine Rolle in diesem Plan?“, fragte er und sehnte sich wider alle Vernunft danach, sie zu küssen.
„Nun, ja, tatsächlich.“
„In dem Fall werde ich sehr gut zuhören. Fang an.“
„Danke. Es ist eigentlich ganz einfach und bietet sich geradezu an. Wir nehmen Jonathan und Emily mit nach Gretna Green, um sicherzustellen, dass sie dort gut ankommen.“
„Oh Gott …“
„Auch dazu sage ich nichts. So wie sie sind, können die beiden freilich nicht reisen, und sie können auch nicht mit dieser lächerlichen Kutsche fahren, die Jonathan eindeutig nicht lenken kann. Also wirst du, Oliver, wie geplant nach Gateshead reiten, aber erst, nachdem du dich vergewissert hast, dass Thomas und Madelyn nicht schon dort sind oder dass sie dort waren und wieder fort sind. Dort mietest du eine geschlossene Kutsche und die besten Pferde, die du bekommen kannst, kaufst Kleider für uns alle, falls Puck uns noch nicht eingeholt hat, der uns nach deinen Worten ja in Gateshead erwarten will, und kommst hierher zurück. Und ich hätte von Herzen gern richtige Seife, falls du welche auftreiben kannst, bitte. Auf jeden Fall haben wir Thomas bereits überholt. Oder du glaubst es zumindest,
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