Der Bastard und die Lady
Mann, der unmöglich schon volljährig sein konnte, errötete hübsch, was Chelsea ein bisschen ans Herz rührte. Mein Gott, sie konnte sich vorstellen, dass er gerade erst begonnen hatte, sich zu rasieren.
„Sir“, sagte er und stand stramm, als hätte er seinen Schulmeister vor sich. „Ich bin Jona…, das heißt, John … Smith. Aus Leicestershire. Die schöne Dame steht unter meinem Schutz.“
„Unter Ihrem Schutz. Das dürfte reichen, um das Geschöpf in Angst und Schrecken zu versetzen“, sagte Beau mit einem Blick auf die Kutsche. „Und sie heißt … Nein, warten Sie. Ich erspare Ihnen die Mühe. Sie heißt Mary. Nennen wir sie Mary Brown?“
„Sie machen sich über mich lustig, Sir“, warf Smith ihm vor, und seine blassen Wangen färbten sich immer dunkler. „Denken Sie von mir, was Sie wollen, aber die Dame ist unantastbar. Sie werden nicht über sie lästern, sonst muss ich Satisfaktion von Ihnen fordern.“
„Allmächtiger Gott, das würde ich niemals tun. Mitleid mit ihr haben, sie zur Vernunft bringen, das ja. Aber ich werde nicht über sie lästern, da sie vermutlich glaubt, in Sie verliebt zu sein, Sie hochnäsiger kleiner Schnösel. Sind Sie wirklich in diesen Kleidern den ganzen Weg von London bis hierher gefahren?“
Jetzt ist vermutlich auch nicht der richtige Zeitpunkt, um Beau an seine eigene Zeit als hochnäsiger kleiner Schnösel zu erinnern, dachte Chelsea. Oder an seinen ziemlich fehlgeleiteten Modegeschmack in jenen Tagen. Allerdings war sie ziemlich sicher, dass er sich zumindest ansatzweise daran erinnerte, was wahrscheinlich gerade reichte, um dem kleinen Mr Smith eine wahrhaft gepfefferte Standpauke von dem inzwischen älteren und weiseren Oliver Le Beau Blackthorn zu ersparen.
„Von London? Aber nein! Wir sind von einem verflixt langweiligen Maskenball in meinem … das heißt, in einem Haus in … ein paar Meilen Entfernung geflohen.“ Wenn überhaupt möglich, straffte er seine schmale Gestalt noch mehr, als wollte er sich auf die Zehenspitzen erheben. „Ich will nicht verheimlichen, was wir planen, denn wir sind fest entschlossen. Wir sind verliebt, wie Sie schon sagten, und wir fliehen vor unseren missbilligenden Eltern nach Gretna Green. Sie werden uns nicht aufhalten!“
„Aufhalten? Warum sollte ich das tun? Chelsea, kümmere dich doch bitte ein wenig um Miss Brown, während Mr Smith und ich uns besser kennenlernen. Mit etwas Glück überlegt sie es sich vielleicht anders.“
Chelsea lenkte ihre Stute dicht neben sein Pferd. „Schimpf nicht mit ihm“, flüsterte sie. „Sie sind verliebt.“
„Sie wissen nicht, was Liebe ist“, konterte Beau.
„Nein, aber ich auch nicht. Du etwa?“
Er sah sie böse an und wollte vermutlich eine sehr scharfe Bemerkung machen, doch er hielt sich zurück, schüttelte leicht den Kopf und lächelte. „Du treibst einen Mann in die Trunksucht.“
„Ich glaube nicht. Danke, Oliver“, sagte sie wieder heiter und trieb ihr Pferd in Richtung Kutsche an.
Der Earl of Brean schritt auf dem Hof des Gasthauses auf und ab. Die angeschirrten Kutschpferde scharrten ungeduldig mit den Hufen. Der Earl brummte vor sich hin und blieb gelegentlich stehen, um den Kopf zu heben und zur Straße zu spähen, in der Hoffnung, seine Schwester mit ihrer Zofe kommen zu sehen.
Jetzt sehnte er Madelyns Anblick herbei, doch wenn dies alles vorüber war, wollte er sie in seinem ganzen Leben nicht mehr erblicken. Francis hatte recht. Frauen, alle Frauen verlockten unentwegt zur Sünde.
Es war, als zöge die Kutsche auf ihrem Weg nach Schottland einen schweren Anker hinter sich her. Madelyn stand spät auf, frühstückte in aller Ruhe in ihrem Zimmer, erfand Ausreden, um in jedem Dorf anzuhalten, und bekam fast einen hysterischen Anfall, als er es wagte vorzuschlagen, nach Einbruch der Dämmerung bei Vollmond weiterzufahren. Sie war überzeugt, dass Wegelagerer sie überfallen würden.
Und sie kaufte ein. Wo auch immer sie Halt machten, kaufte Madelyn ein. Der Kutschkasten quoll inzwischen beinahe über, und trotzdem war sie schon wieder einkaufen. Bänder, Stoffballen, meterweise Spitze, Sonnenschirme. Einen Laib Käse, Besteck, Teller, einen Obstkorb. Seifen, Kerzen, Bettwäsche – und zwei große Koffer, um ihre Einkäufe zu verstauen. Ein verdammtes Schaukelpferd aus Holz, weiß mit blauen Punkten und einer Mähne aus echtem Rosshaar, als Geburtstagsgeschenk für ihren Sohn – es überraschte Thomas, dass sie überhaupt den Namen des
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