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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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mich nichts, was Joana nicht mit Spucke und Verband, einer Kräutersalbe oder ein paar Zaubersprüchen heilen konnte.
    Die Stunden vergingen im Flug, während wir bei sanftem Kerzenlicht saßen und erzählten. Adela lauschte hingerissen meinen Geschichten. Schließlich wurden ihre Augen immer kleiner, und ich schickte sie mit einem Kuss für jeden von uns in ihre Schlafkammer.
    Hamid und ich stiegen auf den Wehrgang, um ein wenig frische Luft zu atmen und die sternenklare Nacht zu genießen. Auf einem der Marktplätze der Vorstadt konnten wir das hell lodernde Osterfeuer erkennen und die Fackeln der langen Prozession. Ich erklärte meinem Freund, wie sie um Mitternacht das Licht vom Osterfeuer zu dem noch im Dunkeln liegenden Altar vor der Stadtmauer trugen. Dort würden sie damit die Kerzen anzünden und
lumen christi,
das Licht des auferstandenen Heilands, verkünden. Das Volk würde
gratia Deus
rufen und Gott für seine Gnade danken. Während des Gottesdienstes würde ein mit purpurnem Tuch bedecktes Kreuz als Zeichen der Auferstehung feierlich enthüllt werden.
    »Euer Glaube ist voller Sinnbilder und überlieferter Handlungen«, sagte er. »Neben Gott betet ihr zu der Jungfrau und zu Heiligen aller Art. Genügt euch nicht ein einziger Gott?«
    »Es sind keine Götter. Nur Heilige, die ein vorbildliches Leben geführt haben. Deshalb sind sie Gott nahe. Wir verehren sie und flehen um Fürbitte.«
    »Zu viel Gedrängel in eurem Paradies«, lachte er kopfschüttelnd. Für übersteigerte Frömmigkeit hatte er schon immer, seit ich ihn kannte, wenig übriggehabt, auch was sein eigenes Bekenntnis betraf. Die Gedanken hellenischer Philosophen, die er als junger Mann studiert habe, hätten ihn einen Abstand zu mystischen Dingen gelehrt. Er glaube nicht an die Heiligkeit irgendeines Krieges, und obwohl er vermied, es sich anmerken zu lassen, hatte er wenig Verständnis für die religiöse Inbrunst, die wir Latiner zu jeder Zeit auf den Lippen trugen und mit der wir unsere Kriegszüge rechtfertigten. Besonders wenn aus stillem Glaube engstirniger Eifer wird, hatte er einmal gesagt, dann ist der Mensch zu allen Schandtaten fähig. Deshalb führe man besser mit dem
logos
der Philosophen als mit dem
credo
der Gläubigen! In allem solle die Vernunft herrschen, war sein Leitsatz.
    »Ein Gedrängel mag es sein«, erwiderte ich belustigt, »aber die Heiligen geben uns ein Gefühl der Geborgenheit. Sie sind wie Freunde. Man kann ihnen alles sagen, ohne sich gleich dem strengen Blick des Allmächtigen auszusetzen.«
    »Wie rührend«, spöttelte er.
    Wir blickten auf die Lichter in der Ferne und schwiegen. Ein wohltuendes Beieinandersein, das auf langer Freundschaft und gemeinsamen Erlebnissen beruhte.
    »Was wirst du deinem Onkel antworten?«, fragte er plötzlich.
    Wie oft hatte ich dieser Tage nicht schon selbst darüber gegrübelt. Ich konnte den Brief natürlich unbeantwortet lassen. Er würde glauben, ich sei irgendwo verschollen. Aber, das hatte der Alte nicht verdient.
    »Ich werde ihm eine Nachricht zukommen lassen.«
    »Und diese vertrauliche Familienangelegenheit?«
    »Was soll es schon sein? Sein altes Landgut vielleicht. Und ein gewisses Vermögen, das er sich als Bischof angeeignet haben mag. Ich will sein Gold nicht. Um solche Dinge hat sich immer meine Mutter gekümmert.«
    »Es war Adela, die mir von dem Brief erzählt hat.«
    Das erstaunte mich, und so berichtete ich ihm von ihrem Wunsch, meine Kapelle in der alten Heimat zu errichten. Hamid seufzte und meinte, das Kind wünsche sich eine Familie. Das sei für ihn verständlich, denn ein Araber könne ohne Familie nur schwer leben. Fast schlimmer noch als der Tod der Geliebten sei der Verlust seiner Familie gewesen.
    »Was wirst du deinem Onkel also antworten?«, fragte er ein zweites Mal.
    Ich kaute unschlüssig auf der Unterlippe und fuhr mir mit der Hand durchs Haar. »Ich hätte sicher schon Jahre früher ein Lebenszeichen senden sollen. Da bin ich ein schlechter Sohn gewesen.«
    »Und ein noch schlechterer Vater!« Er wusste von Berta und dem Kind.
    »Vielleicht habe ich den Jungen gezeugt, aber ich bin nicht sein Vater. Du weißt, wie sie mich betrogen und in diese Ehe gezwungen haben. Damit habe ich nichts mehr zu tun.«
    »Belüg dich nicht selbst, Jaufré. Gleich, wie du es wendest, der Junge ist von deinem Blut.«
    »Na und?«
    »Ein Vater hat Verantwortung.«
    »Er leidet keine Not.«
    »Du meinst, er hat genug zu essen«, sagte er leise. »Und

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