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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Gemüsesorten war es noch zu früh im Jahr. Aber es gab Bohnen und Kohlgerichte, gedünsteten Weizengrieß, helles und dunkles Brot. Dazu tranken wir ungegärten Apfelmost, Traubensaft und einen leichten Wein für mich. Am Ende drei Sorten von Schafskäse, zusammen mit den landesüblichen, klebrig süßen Leckereien, Datteln und getrockneten Feigen.
    Hamid genoss das Festessen.
    »Die Franken aus dem Norden eures Landes haben recht«, sagte er. »Was den Normannen der Krieg, ist den Provenzalen das Fressen!«
    »So«, brummte ich, »sagen sie das?«
    »Deshalb sind mir die Provenzalen auch lieber!«, grinste er und nahm sich noch mehr von den Köstlichkeiten unseres Küchenmeisters.
    Er und Adela unterhielten sich angeregt über Pferde, deren begeisterte Liebhaber beide waren. Ich beobachtete meine Tochter, wie sie anmutig mit dem Messer hantierte, mit spitzen Fingern in die Schüsseln und Teller langte und die Hände zwischen den Gängen sorgfältig in der beigestellten Wasserschale reinigte. Ihre Mutter hatte ihr höfische Tischsitten beigebracht. Ich war stolz auf sie und zeigte es.
    »Zum ersten Mal sehe ich euch wieder unbeschwert lachen«, bemerkte Hamid zufrieden und nahm sich noch ein Stück Käse. »Sag mal, mein Freund. Ich habe da etwas von einem Brief gehört.«
    Adela hörte gebannt zu, als ich von Odo und dem Brief berichtete, und stellte Fragen über meine Mutter. Eine Großmutter am anderen Ende der Welt, der Gedanke schien sie stark zu bewegen. Nie hatte ich mir Zeit genommen, sie über ihre Familie aufzuklären. Warum also nicht jetzt? Ich begann, von meiner Kindheit zu erzählen, während meine beiden Zuhörer aufmerksam lauschten.
    Ich war das einzige Kind von Cecilia de Monisat und Ramon de Montalban auf Rocafort. Mein Vater, ein Katalane, war für den Grafen Guilhem in irgendeinem der vielen Kämpfe gegen die Mauren gefallen. Vielleicht gibt es einen Ort mit Namen Montalban in Catalonha, jedenfalls ist es kein seltener Name. Cecilia hatte aber nie von einer Familie dort erzählt, und mir selbst sind nur undeutliche Erinnerungen an meinen Vater geblieben. Er hatte sich als Söldnerführer das Vertrauen unseres Fürsten erworben und als Dank für seine Treue das Lehen auf Rocafort erhalten. Als er starb, war ich nicht älter als sechs Jahre gewesen.
    Und so war ich mit zwei Frauen aufgewachsen, Cecilia, meiner Mutter, und Joana,
la noiriça.
Dabei war sie weit mehr als eine Amme, denn in den Jahren war sie Cecilias Vertraute und Freundin geworden. Sie stritten sich selten und ergänzten sich auf wundervolle Weise. Cecilias Verstand und eine gewisse Strenge fanden sich gepaart mit Joanas überschwenglicher Gutherzigkeit. Cecilia war immer zuerst Burgherrin, auch in ihrem Benehmen zu mir. Sie liebte mich, aber mit ein wenig Abstand, den der Respekt vor ihrer Rolle als Oberhaupt der Gemeinschaft verlangte. Denn die
familia,
das waren alle, die von der Burg in irgendeiner Weise abhängig waren. Für all diese Menschen trug sie Verantwortung und war sich dessen sehr bewusst.
    Joana dagegen war überschäumend in ihren Gefühlen, mitteilsam, herzlich. Ihr konnte man alles sagen und alles beichten. Sie hatte das Ohr der Bauern und vermittelte zwischen Dorf und Burg. Sie erzählte mir als Kind Geschichten, wischte mir die Tränen aus dem Gesicht und das Blut von den Knien, wenn ich hingefallen war, und wiegte mich an ihrem umfangreichen Busen. Trotzdem ließ sie sich nicht auf der Nase herumtanzen, denn während Cecilia mich nur streng ermahnte, konnte ich von Joana eine Ohrfeige erwarten, wenn ich es zu wild getrieben hatte.
    Ich war mit den Kindern im Dorf aufgewachsen, und mein bester Freund war Drogo, der Sohn des Schmieds, gewesen. Wir kletterten in die höchsten Baumwipfel und kannten alle Höhlen in den Felsen der umliegenden Berghänge. Wir trieben Schabernack mit den Alten oder klauten Hühner, um sie im Wald am Feuer zu braten. Wir lernten Fallen zu stellen und gingen mit den Jägern auf die Pirsch. Im Sommer halfen wir bei der Ernte und kühlten uns hinterher im Fluss ab. Dann ärgerten wir die Mädchen, die ihren Müttern bei der Wäsche halfen. Wir ritten heimlich die Pferde, die auf der Koppel waren, und lieferten uns Schlachten mit selbstgefertigten Schilden und Holzschwertern. Wer weiß, wie oft ich anfänglich vom Pferd gefallen bin. Ich hatte immer Wunden an den Knien oder Kratzer an Armen und Beinen. Einmal trat ich in eine Sichel und verlor fast einen Zeh. Aber, Gott sei Dank, befiel

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