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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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vermutlich hat er das.« Er schwieg eine Weile. Dann wandte er mir sein dunkles Gesicht zu und deutete auf seine Brust. »Aber was ist mit dem Herzen? Ein Sohn braucht die Liebe des Vaters. Wie soll ein Mann lernen, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, wenn sein Vater ihm nicht die Welt erklärt, ihm nicht den rechten Weg weist und ihn auf seinen ersten Schritten ermutigt?«
    Man konnte sich immer darauf verlassen, dass Hamid klare Worte sprach. Mir kam Ricard in den Sinn und was Bertran von seiner Kindheit erzählt hatte. Ohne Vater und mit einer schwachen Mutter.
    »Wird ein Mann ein schlechter Mensch, nur weil er ohne Vater groß wird?«, erwiderte ich trotzig. »Auch ich bin ohne Vater aufgewachsen.«
    Hamid verdrehte über meine Sturheit die Augen gen Himmel. »Es wird Zeit, den alten Groll zu vergessen. Was hat dir das Kind getan? Ihm darfst du nicht zürnen.«
    »Ach, Hamid! Mein Leben ist so, wie es ist. Ich kann es nicht mehr ändern.« Ich lachte bitter. »Was willst du eigentlich? Hast du dich mit Adela verschworen?«
    »Ich habe bisher meinen Mund gehalten, das ist wahr. Weil Noura dich mehr brauchte als die Leute da drüben in deiner Heimat. Sie hatte ja niemanden außer dir.«
    Er fasste mich am Arm und sah mir eindringlich ins Gesicht. »Doch Noura ist tot. Was soll dich jetzt hier noch halten? Ich sage dir, Jaufré, der du mein Freund bist. Es ist an der Zeit, heimzukehren.«
    Wir standen noch lange schweigsam auf der Zinne. Dann legte er mir sanft die Hand auf die Schulter und wünschte eine gute Nacht.
    ***
    Ein Alptraum plagte mich. Seit Nouras Tod quälten sie mich wieder öfter. Ich sah mich in fahlem Licht über nebelverhüllte Schlachtfelder wandern, die kein Ende nahmen, übersät von bleichen Leibern mit grässlich blutenden Wunden. Sie bewegten sich und schlangen ihre Arme flehend um meine Knie. Ich erkannte alte Gefährten, die mich riefen, stolperte über ihre Gliedmaßen und schrie vor Angst, ich könnte stürzen. Dann würde ich mich nie mehr erheben können und müsste bis zum Jüngsten Gericht an der Seite dieser grausigen Leichen liegen. Schließlich rannte ich ohne Unterlass, bis ich eine Hütte in einem Moor erreichte. Darin wollte ich mich verkriechen. Aber da lag Amelha auf ihrem blutbesudelten Lager und schrie und schrie mit schmerzverzerrtem Gesicht. Ich brach in die Knie und weinte. Amelha hielt mir ein Neugeborenes hin, ein Knabe, und hörte nicht auf zu lachen und mich zu verhöhnen. Da sah ich, es war nicht Amelha, sondern Berta.
    Vor Schweiß triefend wachte ich auf. Als ich ein Becken mit Wasser füllen wollte, zitterten meine Hände so stark, dass ich fürchtete, den Krug fallen zu lassen. Ich setzte mich auf mein Nachtlager und versuchte, langsam und tief zu atmen. Es dauerte lange, bis meine Hände wieder ruhig waren.
    ***
    Adela saß mit finsterer Miene beim Morgenmahl und rührte lustlos in ihrem Brei aus zerquetschten und gekochten Weizenkörnern. Auf meinen freundlichen Morgengruß murmelte sie nur eine dürftige Antwort. Sie würdigte mich keines Blickes, und ein Sturm schien sich auf ihrer Stirn zusammenzubrauen. Ich fragte schließlich, was mit ihr sei.
    »Du hast mir nicht die Wahrheit gesagt«, stieß sie hervor.
    »Wovon redest du?«
    »Von dieser Frau im Frankenreich.«
    »Berta?«
    »Du hast gesagt, du magst sie nicht. Aber du hast gelogen.«
    »Kannst du bitte erklären, was du damit meinst?«
    Ihre Unterlippe zitterte. »Mama hat gesagt, wenn man Kinder macht, dann ist es, weil man sich liebt.«
    »Was weißt du denn vom Kindermachen,
mon anjol?
«
    Sie warf mir einen ungeduldigen Blick zu.
    »Das weiß doch jeder.«
    »Jeder? Dann erklär es mir.«
    »Stell dich nicht so an, Vater!« Sie wurde rot, und als ich sie weiterhin fragend anblickte, zischte sie: »Na, auf der Weide, der Hengst und die Stute oder bei den Rindern … die tun es doch auch.«
    »Aha!«, lächelte ich. »Du weißt also, wie das geht.«
    Nun hatte ich sie vollends durcheinandergebracht, und ich konnte sehen, dass sie gleich wütend werden würde. Daher beeilte ich mich, hinzuzufügen: »Also gut. Was genau hat Mama dir dazu gesagt?«
    »Ich hab sie gefragt, ob Menschen das auch tun. Weil ich es nämlich ziemlich eklig finde.« Ich konnte mir nicht helfen und musste grinsen. Adela aber fuhr ungerührt fort: »Da hat sie gesagt, wenn man sich liebhat, dann sei das nicht eklig. Und wenn man sich ganz besonders liebhat, dann sei es sehr schön, und man bekommt dann Kinder.«
    »Und

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