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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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warum bist du jetzt wütend auf mich?«
    »Weil du mit Berta ein Kind gemacht hast«, warf sie mir angriffslustig ins Gesicht.
    »Aha. Du hast wieder gelauscht.«
    »Du gibst es also zu?«
    Ich blickte betreten auf meinen Teller. »Ja, ich habe einen Sohn«, sagte ich, fast froh, dass es raus war. Sie blickte mich triumphierend und trotzig zugleich an. Offensichtlich erwartete sie nun eine Erklärung von mir. »Und deshalb glaubst du, ich würde Berta lieben wie deine Mama?«
    Ihre Augen wurden feucht, und sie sah wütend zum Fenster hinaus. Wir schwiegen beide, während ich nachdachte.
    »Adela. So einfach sind die Dinge nicht. Man kann auch Kinder kriegen, wenn man sich gar nicht liebt. Berta ist sicher eine gute Frau, aber ich wollte sie nicht heiraten. Geliebt habe ich sie schon gar nicht. Trotzdem habe ich dummerweise einige Male bei ihr gelegen. Und dann passiert das mit dem Kinderkriegen. Es macht doch aber keinen Unterschied für dich, oder?«
    Sie ließ die Schultern hängen und weinte. »Ich weiß nicht, was ich denken soll. Alles ist so anders geworden, seit Mama tot ist.« Sie wischte sich die Nase an ihrem Ärmel. »Zuerst dachte ich, du willst mich verlassen. Und jetzt erfahre ich, ich habe auch noch einen Bruder dort.«
    »Das macht dir Angst?«
    »Ja.«
    »Wir sind doch hier zusammen, du und ich. Er tut dir nichts.«
    Für einen Augenblick blieb sie stumm. Dann lächelte sie vorsichtig und sagte: »Gestern warst du glücklich, als du Geschichten von früher erzählt hast. Ich konnte es auf deinem Gesicht sehen. Und ich möchte sie alle kennenlernen. Meine Großmutter und Joana. Die hört sich besonders lieb an. Drogo, deinen Freund. Die Leute im Dorf, den Gänsejungen. Ja, und auch den Bischof.«
    »Na ja, der Gänsejunge ist inzwischen ein großer Mann. Aber ich verstehe«, murmelte ich und tätschelte ihre Hand. »Nun iss endlich. Du bist zu dünn.«
    Sie stopfte sich den Mund voll, und zwischen Löffeln befragte sie mich nach ihrem Halbbruder.
    »Er muss jetzt sechzehn sein.« Mein Gott, dachte ich, schon fast erwachsen.
    »Und wie heißt er?«
    »Raol.«
    »Raol, Raol, Raol!«, sagte sie, als wolle sie sich an den Klang gewöhnen. »Wie es wohl ist, wenn man einen großen Bruder hat?«
    »Beschützen soll er dich, wenn dein Vater es nicht kann.«
    »Mama hat gesagt, du musstest in den Krieg ziehen, weil dein Lehnsherr es befohlen hat.«
    »So ungefähr.«
    »Weil es doch sonst nicht richtig ist, seine Kinder zu verlassen, oder?«
    »Na ja …«, murmelte ich verlegen.
    »Siehst du. Es war ein guter Einfall von mir, die Kapelle in deinem Dorf bei den Franken zu bauen. Du hast erzählt, da gibt es noch keine. Alle im Dorf können helfen, und der Bischof Odo kann sie einweihen.« Sie lächelte mich einschmeichelnd an.
    »Sag nicht immer Franken. Die leben nämlich im Norden, mein Herz!«, erklärte ich ihr. »Wir sind Provenzalen, und das Dorf liegt in einer Gegend, die Corbieras heißt, nicht weit von Narbona, wo Bischof Odo lebt.«
    Ich küsste sie auf die Stirn und nahm sie bei der Hand. »Komm, ich habe zu tun. Wir müssen mit dem Wachhauptmann reden. Ich kann nicht den ganzen Tag hier herumsitzen und Geschichten erzählen.«
    Sie begleitete mich bei meinen Pflichten als
castelan.
Vormittags beobachteten wir Arnauds Ausbildung der Männer. Nachmittags begutachtete ich die Waffenkammer. Jeder Krieger war für seine Ausrüstung selbst verantwortlich, und ich achtete darauf, dass die Bewaffnung meiner Männer immer in gutem Zustand war. Für den Bedarfsfall lagerten wir auch eine bedeutende Menge an Waffen in der Festung. In einem hinteren Bereich der Waffenkammer entdeckte ich viele, die Rost angesetzt hatten. Eine Nachlässigkeit des zuständigen Waffenschmieds. Ich ließ ihn meinen Unmut spüren, und er versprach, die Sache in Ordnung zu bringen.
    Danach überprüfte ich die Vorräte. Bruder
Albertus begleitete uns mit seinen Büchern und Aufzeichnungen. Wir fanden den üblichen Verlust. Käseräder, die zu stark verschimmelt waren, als dass man sie noch genießen konnte. Kornsäcke, die die Ratten angenagt und geplündert hatten. Aber mit Ausnahme einiger verschwundener Fässer Wein stimmten die Bücher in etwa. Der fette Philippos, der für unsere Vorräte verantwortlich war, atmete erleichtert auf, denn, obwohl die Vorratskammern immer verschlossen bleiben sollten, kam es oft zu kleineren Diebstählen. Das war kaum zu vermeiden. Wein, Getreide oder Oliven wurden gern von den Bediensteten

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