Der Bastard von Tolosa / Roman
drangen, die immer heftiger zu werden schien. Und dann flog eine der Türen so schwungvoll auf, dass sie mit Getöse gegen die Wand krachte. Ricard trat mit zorngerötetem Kopf rückwärts in die Vorhalle und schrie wutentbrannt: »So behandelst du also dein eigen Fleisch und Blut?«
Bertrans Antwort war schwer zu verstehen, aber es klang nach »sich zum Teufel scheren« oder Ähnlichem. Und Ricard schrie: »Verdammt, Vetter, es wird dich noch reuen!« Woraufhin er die Flügeltür so heftig zuschlug, dass der Rahmen zitterte und es durch den Palast hallte. Dann drehte er sich um und wurde plötzlich meiner ansichtig.
Wie zur Salzsäule erstarrt, stand er da und stierte mich aus Augen an, die fast aus den Höhlen zu treten schienen. Mein Anblick musste ihn noch wütender machen, denn er schien am ganzen Körper zu zittern, und sein Gesicht war dunkelrot angelaufen. Er sah so wild aus, als wolle er sich jeden Augenblick auf mich stürzen. Schnell erhob ich mich von meinem Sitz und legte die Hand auf den Schwertgriff. Aber er beherrschte sich, wenn auch mit sichtlicher Anstrengung. Fast glaubte ich seine Zähne knirschen zu hören.
»Montalban!«, zischte er schließlich. »Das habe ich nur dir zu verdanken. Und es reut mich, dass du noch lebst!«
Da traf mich die Erinnerung wie ein Keulenschlag. Was, zum Teufel, hatte er da vor Wochen in der Halle gesagt?
»Wer bezahlt dir Gold für meinen Tod?«
Eine Antwort bekam ich nicht. Stattdessen trat er unangenehm nah an mich heran, und seine Augen funkelten aus hasserfüllten Schlitzen. »Nimm dich vor mir in Acht, du Bastard einer hochmütigen Hure! Irgendwann erwische ich dich. Dich oder deine verdammte Tochter. Das verspreche ich dir!«
Mit einer obszönen Geste ließ er mich stehen und stürmte aus dem Palast. Ich muss zugeben, dass mich diese Ausfälligkeit zunächst sehr erschreckte, besonders Adelas Erwähnung. Er würde doch nicht wagen, ihr aufzulauern? So hasserfüllt und wild war er gewesen, dass ich ihm im ersten Augenblick alles zugetraut hätte. Und meine Mutter sollte eine hochmütige Hure sein? Allein der Gedanke war so abwegig, dass ich auch die Sache mit dem Gold nicht mehr ernst nehmen konnte. Ich beschloss, den Vorfall als den unbeherrschten Gefühlsausbruch eines zügellosen jungen Mannes abzutun und die Drohung zu vergessen.
Erst Monate später sollte ich erfahren, wie die Dinge wirklich zwischen uns standen, was er gemeint hatte und wie gefährlich Ricard und die Männer waren, mit denen er sich eingelassen hatte.
***
Am Karfreitag fand die feierliche Prozession statt, um der Leiden Christi zu gedenken. Zwar waren die Anhänger der griechischen Kirche ebenfalls geladen, aber nur wenige kamen, da sie eine lateinische Messe ablehnen. Sie selbst bezeichnen sich als orthodox, als Rechtgläubige. Als seien wir Latiner Unrechtgläubige. Um die Absage zu mildern, sandte ihr Patriarch uns ein großes silbergefasstes Kreuz als Ostergeschenk, und somit waren alle zufrieden. Wir Latiner waren ebenfalls nicht bereit, in der Kirche der Griechen zu feiern, und ein angemessenes Gotteshaus musste erst noch gebaut werden. Deshalb sollte das Fest unter freiem Himmel vor den Mauern von Tripolis begangen werden.
Am Sonnabend besuchten wir die
Comtessa
und ihre Tochter Anhes. Während sich die Kinder im Garten des Palastes vergnügten, hatte ich ein angenehmes Gespräch mit ihr, in dem sie mir versicherte, wie sehr Bertran auf mich zähle. Er wolle einen Bund von engen Getreuen schmieden, um seine Absichten in diesem Land durchzusetzen. Ich hätte ihn darauf gebracht, sagte sie. Als ich mich erstaunt zeigte, fügte sie hinzu, er habe von Kameradschaft und Waffentreue gesprochen. Da verstand ich und musste lächeln.
»Montalban«, rief sie ausgelassen. »Ihr werdet doch der
festa
zu Pfingsten beiwohnen. Ich rechne mit Euch!«
Zu Pfingsten ist es bei uns Provenzalen üblich, große Feste in den Fürstenhäusern zu veranstalten. Alle Lehnsmänner und Gefolgsleute finden sich ein, um ihrem
princeps
die Ehre zu erweisen. Es wird gegessen und gezecht, Absprachen werden getroffen, Hochzeiten gefeiert und um die Gunst des Fürsten gebuhlt. Es war auch üblich,
torneis,
kriegerische Wettkämpfe, zu veranstalten. Dabei geht es immer hoch her, und die Pferde zertrampeln Feld und Garten. Wer niedergerungen wird, schuldet dem Sieger Ross und Rüstung. Ein halbes Vermögen für viele, was die Verbissenheit erklärt, mit der gekämpft wird. Ich hatte schon gehört, dass
Weitere Kostenlose Bücher