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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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alle?
    »Viele verdanken Raimon Pilet ihr Leben. Alle bewunderten seine Kraft und seinen unerschütterlichen Mut in der Not, wenn manch einer verzagen wollte. Sein Brot hat er geteilt, wenn andere hungerten, und immer konnte man sich seiner Hilfe sicher sein. Das ist, was ihn besonders auszeichnete, die Treue zu seinem Herrn ebenso wie die Treue zu seinen Kameraden, die ihn geliebt haben und ihn immer in ihren Herzen bewahren werden.«
    Nun hob er die Handflächen nach oben und blickte gen Himmel.
    »Vater unser im Himmel. Wir bitten Dich um Gnade für unseren treuen Sohn, einem großen
miles christi,
Krieger unseres Heilands. Erbarme Dich seiner ewigen Seele und geleite ihn in Dein Paradies. Amen.«
    In den Gesichtern konnte man lesen, dass der Priester den richtigen Ton getroffen hatte. Hatte ich ihm gar nicht zugetraut. Graf Bertran trat vor und warf als Erster eine Handvoll Erde auf den Sarg, gefolgt von allen anderen. Jeder in seine eigenen Gedanken versunken, verließen wir den byzantinischen Gottesacker.
    Der Leichenschmaus sollte bei Pietro am Hafen stattfinden, und es hatte eine lustige Feier sein sollen. Wir wollten von Pilet wie zu seinen Lebzeiten mit gutem Essen und einem ausgelassenen Gelage Abschied nehmen und ihn so unter die Erde bringen, wie er es sich selbst gewünscht hätte.
    Aber die Fröhlichkeit war gezwungen, die Gespräche blieben verhalten, und kaum wagten wir, uns wirklich in die Augen zu blicken. Bis Robert
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aussprach, was uns bedrückte.
    »Unsere Zeit ist vorbei«, sagte er in die Stille hinein, die am Tisch herrschte. Wir rückten zusammen und wollten hören, was er zu sagen hatte. »Ich war zuletzt nicht dabei, aber Arnaud hat mir berichtet, wie er gestorben ist. Und ich sage euch, Pilet hatte recht. Wir haben genug getan. Wir sind die Letzten aus der alten Truppe. Zu viele sind unterwegs und in den Kämpfen verreckt. Und auch jetzt sterben immer noch zu viele.« Er zog dann die Luft geringschätzig durch die Nase. »Sie halten große Reden, wisst ihr. Doch ich frage mich oft, ob die Sache es wert war.«
    Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher. Wir saßen still da und dachten über das Gesagte nach.
    »Hängt davon ab, ob die Türken uns ins Meer werfen oder ob wir uns hier halten können.« Auch Arnaud schien heute düsteren Gedanken nachzuhängen.
    »Mag sein. Aber die Zeit von uns alten Kämpen ist vorbei«, wiederholte Robert betrübt. »Und wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich der Sache nun auch müde bin. Ich habe genug von Brandschatzen und Morden. Es klebt zu viel Blut an meinen Händen. Es reicht mir für den Rest meiner Tage.«
    Wie ich so in die Gesichter der anderen schaute, sah ich, dass viele so empfanden, auch wenn sie es bis heute nicht ausgesprochen hatten. Das Gift des Krieges hatte unsere Eingeweide zerfressen, und wir waren müde und bitter geworden. Wir fühlten uns ausgenutzt, fast hassten wir die Geistlichen, die uns immer wieder angetrieben hatten. Wir waren die Letzten einer sterbenden Rasse.
    »Wir haben getan, was wir konnten. Nun ist es an anderen, etwas daraus zu machen«, sagte Robert abschließend.
    Unwillkürlich wandten wir uns dem Neuen in unserer Mitte zu, dem blonden Roger d’Asterac. Das machte ihn einen Augenblick lang verlegen, aber dann hob er seinen Becher, blickte in die Runde und trank uns zu.
    »Ich hätte gern an der Seite von Männern wie Pilet gekämpft«, sagte er nach kurzem Überlegen. »Doch vielleicht ist es Zeit, Frieden zu schließen und etwas in diesem Land aufzubauen. Halten werden wir uns hier nur können, wenn wir etwas für die Menschen tun. Wir müssen sie achten und gerecht herrschen. Wir müssen uns das Recht verdienen, ihre Herren zu sein. Ich glaube, Graf Bertran sieht das so, und er hat Pläne. Dabei will ich sein Mann sein.« Er hob erneut seinen Becher. »Ich trinke auf Pilet, und ich trinke auf den Grafen!«
    »Auf Pilet und auf den Grafen«, murmelten wir und tranken in einem Zug aus.
    So hatte ich es noch gar nicht betrachtet, aber möglicherweise hatte Roger recht. Pilet und die meisten hier, wir waren die Eroberer und Zerstörer gewesen, zusammen mit unserem Herrn, dem alten Grafen Raimon, der nun in seinem Sarkophag auf dem Pilgersberg lag. Bertran stand vielleicht für etwas Neues in Outremer. Vielleicht konnte er die Völker versöhnen.
    Bertran kam mit neuen Gedanken und neuem Eifer. Möge er nun Anführer für tatendurstige Pilger aus der Heimat sein, wie es zuvor sein Vater für

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