Der Bastard von Tolosa / Roman
uns Krieger gewesen war. Eine starke Hand war weiterhin gefordert, denn der Brückenkopf, den wir in Outremer besetzt hielten, war noch schwach, die Bedrohung groß und die Hinterhalte und das tägliche Morden schienen nicht aufzuhören. Trotzdem gab es die berechtigte Hoffnung, ein starkes Reich der Ritter des Kreuzes errichten zu können. Stützen konnte man sich auf die vielen Christen im Volk. Und die Andersgläubigen sollten wir nicht länger als Feinde betrachten. Vielleicht würde Bertran auch Bauern und Siedler ins Land holen, um das Gewonnene zu festigen, ebenso wie Baumeister, Priester und Handwerker. Besser noch wäre es, von den Arabern zu lernen, denn in Gelehrsamkeit waren sie uns weit überlegen.
Doch das war nicht mehr unser Kampf. Ich fühlte es nun sehr deutlich. Wir hatten unsere Pflicht getan. Wir waren müde und sollten gehen, denn vielleicht standen wir dem Neuen nur im Weg. Und so legte sich endlich der Aufruhr, der in den letzten Tagen in meinem Herzen geherrscht hatte. Mir wurde klar, was ich zu tun hatte, und dies gab mir eine innere Ruhe und Zuversicht, wie ich sie seit langem nicht mehr gekannt hatte.
Odo und meine Mutter würden mich nach vierzehnjähriger Abwesenheit sicher frostig empfangen. Aber ich beschloss, der Sache mit Zuversicht zu begegnen. Was Berta zu meinem plötzlichen Auftauchen sagen würde, daran dachte ich weniger. Überhaupt hatte ich sehr schemenhafte Erinnerungen an sie. Fast schien sie mir nur eine blasse Einbildung zu sein.
Heute muss ich über solche Gedanken schmunzeln, denn dass es Berta in Fleisch und Blut und in voller Lebensgröße gab, das sollte ich nur zu bald erfahren. Ebenso, was es mit Pilet und Odo auf sich hatte.
Des Grafen geheimer Auftrag
Sanctus Tiburtius, lässt alles grünen und wachsen
Quinta Feria, 14. Tag des Monats April
N ach dem trüben Leichenschmaus und auf dem Weg zurück zur Festung ergriff ich die Gelegenheit, Hamid meinen Entschluss mitzuteilen. Es fiel mir nicht leicht, denn es bedeutete, bald Abschied nehmen zu müssen.
»Du warst mir immer der beste Freund, den man sich wünschen kann, Hamid, aber nun ist es an der Zeit, wie du selbst gesagt hast, in das Land meiner Väter heimzukehren. Und so ist es Gottes Wille, dass sich unsere Wege trennen.«
»Warum sollten sich unsere Wege trennen, Jaufré?«, fragte er mit gerunzelter Stirn. »Reist du denn nicht ins Reich der Franken?«
Spätestens da hätte mich ein belustigtes Leuchten in seinen Augen stutzig machen sollen. Doch ich starrte ihn nur verständnislos an.
»Aber ja, das sage ich doch.«
»Na, dann ist alles gut«, schmunzelte er. »Dann reisen wir in die gleiche Richtung.«
»Was? Ich glaube es nicht! Du begleitest uns?«
»Natürlich. Einer muss doch auf dich und dein Töchterchen achtgeben. Sonst kommt ihr unter die Räder.« Er grinste breit und schlug mir auf die Schulter. »Ich hoffe, du kannst mich noch an deiner Seite ertragen.«
»
Mon Dieu,
Hamid! Ist das wahr? Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich darüber bin. Und Adela erst.«
Dann wurde ich nachdenklich. »Wirst du dich denn wohl fühlen bei uns, Bruder? Ein fremdes Land, fremde Gewohnheiten. Wir haben keine Moscheen, und es wird nur Christen um dich geben, Ungläubige eben.« Ich sagte es halb im Scherz und lachte dazu, aber er antwortete mit Bedacht.
»Ich habe lange darüber nachgedacht, Jaufré. Du weißt, ich habe alles verloren, Liebe und Familie, Heimat und Besitz.« Er schüttelte den Kopf, als wundere er sich über sein eigenes Schicksal. »Weißt du, ich war einmal der beste Koranschüler in Damaskus. Ein guter Muslim, eifriger Schüler des Propheten, Stolz meines Vaters. Die Philosophen habe ich studiert, Mathematik und Medizin. Ausgerechnet ich also bin Soldat eurer verdammten
militia christi
geworden. Macht es mich zum Verräter an meinem Volk?« Sein Gesicht war voller Selbstzweifel. So kannte ich ihn gar nicht. Ich blieb stumm, denn was gab es da zu erwidern? Hamid zuckte mit den Schultern und seufzte. »Mein Volk ist schwach geworden. Ein leichtes Spiel für fremde Eroberer. Doch das rechtfertigt mich noch weniger.«
»Ist es nicht müßig, Gottes Wege ergründen zu wollen?«, fragte ich vorsichtig.
»Geplant hatte ich dieses Leben wahrlich nicht. Ein tiefer Blick aus den Mandelaugen eines Weibes, ein Fehltritt, und alles war verändert.« Seine Stimme klang bitter.
»Ich dachte, du bereust nichts.«
»Du hast recht. Ich bereue nichts. Will nichts bereuen. Und wer bin ich
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