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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Unruhe gepackt, und ich leerte einen Becher Wein in großen Zügen. Doch dabei ließ ich es bewenden, wie ich es geschworen hatte. Keine Sauferei mehr!
    In der Nacht lag ich lange wach, wälzte mich auf meinem Lager und grübelte über das neue Leben nach, das uns erwartete. Unser Fortgehen beendete mit einem Schlag einen ganzen Lebensabschnitt. Adela kannte nur das Leben in Outremer, und auch ich hatte fast die Hälfte meiner Jahre hier verbracht. Unsere Noura würden wir in fremder Erde zurücklassen. Der Abschied würde mir schwerfallen. Und doch hatte ich das gute Gefühl, dass gerade Noura unser Vorhaben gebilligt, ja uns sogar dazu ermutigt hätte. Mit diesem Gedanken schlief ich schließlich ein.
    ***
    Nicht ohne Beklommenheit erhob ich mich am nächsten Morgen, denn heute war der Tag, an dem ich Graf Bertran meinen Entschluss mitteilen und ihn um sofortige Entlassung aus meinen Pflichten bitten würde.
    Auch wenn ich mit Unbehagen an diese Unterredung dachte, so trieb mich doch die Ungeduld. Einmal zur Heimkehr entschlossen, war es mir nun eilig, Reisevorbereitungen zu treffen. Im Geiste befand ich mich schon nicht mehr in Tripolis. Jeder Tag, den wir länger verweilten, schien mir verschwendet zu sein. Hinzu kam, dass ich bei der unsicheren militärischen wie politischen Lage fürchtete, irgendetwas könnte unsere Pläne im letzten Augenblick vereiteln. Vieles konnte geschehen, und in der Not würde ich meinen Lehnsherrn nicht im Stich lassen dürfen. Also erinnerte ich mich an einen der Lieblingssprüche meiner Mutter:
Wer lange sinnt, beginnt nicht, und wer nicht beginnt, gewinnt nicht.
    Im byzantinischen Bad auf der Festung bereitete ich mich in Gedanken auf die Begegnung mit dem Grafen vor. Ich saß lange im heißen Dampf und ließ mich anschließend mit kühlem Wasser übergießen. Das würde ich in Zukunft leider nicht mehr genießen können. Zuletzt ließ ich mir Bart, Haare und Fingernägel trimmen und wählte, zurück in meinen Gemächern, meine beste Tunika, darüber einen knielangen, byzantinischen
sobrecot
und einen reichverzierten Gürtel. Ich wollte angemessen gekleidet vor meinen Lehnsherrn treten. Eine Frage der Achtung in dieser heiklen Angelegenheit.
    Als ich später, von zwei Bewaffneten begleitet, durch die Stadt ritt, überkam mich ein seltsames Gefühl. Diesen Ort würde ich nun bald verlassen. Das, was ich zuvor als gewohnt und selbstverständlich kaum beachtet hatte, bekam mit einem Mal eine neue Bedeutung. Fast schon wehmütig beobachtete ich für eine Weile das Treiben auf dem großen Markt in der Vorstadt. Neugierige Müßiggänger ebenso wie schwadronierende Kaufleute, verschleierte Frauen mit Einkaufskörben, jammernde Bettler, unsere Soldaten, die sich in Grüppchen durch die Menge bewegten, die unermüdlichen Huren, die ihnen nachstellten, dazwischen flinke, barfüßige Jungs, Botenjungen oder Taschendiebe. Das fremdländische Essen und die Gerüche der Garküchen und Grillbuden, so viel Leben und buntes Treiben. In meinem stillen Dorf in der Corbieras würde ich all dies vermissen. Ich sah mich aufmerksam um, sog alles in mich auf, um mich für den Rest des Lebens daran zu nähren.
    Am Tor des Palastes musste ich den Wachen mein Schwert überlassen. Aus Gründen der Sicherheit. Ich murrte, denn ohne Schwert fühlt sich jeder Provenzale nackter als ein Säugling am ersten Tag, aber da ich heute als Bittsteller kam, fügte ich mich.
    »Jaufré, mein Guter. Entschuldige die Entwaffnung. Ich weiß, es ist äußerst entwürdigend, doch da es ohne Ausnahme alle Besucher trifft …«
    Bertran sah übernächtigt und verkatert aus. Er musste am Vorabend heftig dem Wein zugesprochen haben. Kein guter Anfang für mein Anliegen.
    »Verfluchte Mörderbande. Die Spione erzählen von Gerüchten, dass sie es auf mich abgesehen hätten.«
    »Die
Haschischin?
«
    »Ebendie. Verdammte Plage.«
    Bertran hatte selbst Erkundigungen eingeholt, die bestätigten, was Hamid uns erzählt hatte. Er berichtete, was er über Selbstmordanschläge dieser Zeloten gegen türkische Herrscher erfahren hatte. »Stell dir vor, sie glauben, durch ihren Opfertod flugs ins Paradies zu kommen.«
    »Das Märchen von den erlesenen Jungfrauen?«, fragte ich spöttisch. »Zweiundsiebzig für jeden frommen Helden. Endlose Freuden bis in alle Ewigkeit.«
    »Verlockender Gedanke! Dafür würden wir beide uns vielleicht auch töten lassen, was, Jaufré?«
    Wir genossen den kleinen Scherz zusammen.
    »Wie soll man sich gegen

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