Der Bastard von Tolosa / Roman
sich in der Bewunderung des Volkes. Aber wehe, du bist ein armer Schlucker. Viele kamen abgerissen und verarmt aus dem Osten zurück. Manche auf Krücken. Zu Hause will sie keiner. Ihre Weiber haben längst andere Kerle, und um ihr Erbe, falls sie eines hatten, hat man sie betrogen. Einem Krüppel werfen sie noch eine halbe Kupfermünze vor die Füße. Ansonsten schert sich niemand, ob du im Winter unter der Brücke erfrierst.«
»War es denn je anders?«, fragte ich.
»Nein«, erwiderte Alfons. »Es war schon immer so, und der Mensch wird sich nicht ändern. Nur, dass es jetzt so viele von den armen Teufeln gibt. Sei froh, dass du Besitz hast.«
»Nun, meine Burg steht noch«, sagte ich und lachte. Aber so ganz wohl war mir nicht dabei, denn insgeheim fragte ich mich, wie es auf Rocafort gehen mochte, nun, da Cecilia tot war. Es war gewiss hohe Zeit, mich um alles zu kümmern.
»Dann sei froh, denn vielen hat man ihren Besitz abgeschwindelt. Hast du dir vielleicht Geld geliehen?«
»Ja, bei den Pfaffen. Ich brauchte eine Ausrüstung, und die Klosterbrüder gaben bereitwillig, um Gottes Werk zu unterstützen.«
Alfons lachte grimmig und ohne jede Spur von Humor. »Vertraue keinem Pfaffen, Jaufré. Mit diesem Trick haben sie vielen ihr Hab und Gut genommen. Die Klöster werden immer reicher. Du kannst ihre fetten Ländereien täglich wachsen sehen. Kannst du nicht zahlen, nehmen sie dein Land. Ein paar schlechte Ernten, und du bist längstens Gutsherr gewesen, glaub es mir.«
Nun wurde mir etwas heiß unter der Tunika.
»Aber solltest du jemals Hilfe brauchen, dann kannst du auf mich zählen. Ich meine es ernst, hast du mich verstanden?«
Ich nickte und dankte ihm. Er zwinkerte Hamid zu. »Meine Söhne könnten wirklich eine schlechtere Partie machen, als seine Adela zu heiraten, was?«
»Beim Bart des Propheten, da werden aber einige anstehen«, grinste Hamid. »Die Reihe wird lang werden, fürchte ich.«
Das hob die Stimmung, und wir stießen unsere Becher an.
***
In dieser Nacht schlief ich unruhig und träumte von einer rachsüchtigen Felipa, die auf einem riesigen Geier angeflogen kam und ein Heer von Mönchen in grauen Kutten befehligte, die mit tief ins Gesicht gezogenen Kapuzen über meine Felder liefen und mein Vieh wegtrieben.
Und dann war da Berta, wie sie mit meinem alten Schwert versuchte, die Mönche zu vertreiben, aber diese verwandelten sich in zerlumpte Wegelagerer, die auf die Zinnen meiner Burg kletterten und sich um mein Silber stritten. Und zuletzt vermummte Reiter, ganz in Schwarz und mit unkenntlichen Gesichtern. Sie trugen ein Wappen, das ich nicht kannte, und quälten meine Bauern. Lachend trieben sie meine Herde junger Pferde davon. Hamid und ich liefen ihnen nach und kamen doch nicht voran, weil wir im Sumpf vor den Toren Narbonas wateten und der Morast an unseren Stiefeln saugte. Adela weinte vor Erschöpfung und fiel zurück. Da tauchten maurische Seeleute auf, um mein Kind zu entführen. Doch es war nicht Adela, es war Noura, die sie mir entrissen. Sie streckte ihre Arme aus und schrie nach mir, aber ich konnte sie nicht retten.
Schweißgebadet und mit klopfendem Herzen wachte ich auf und lauschte auf Adelas ruhigen Atem neben mir.
Odos dunkles Geheimnis
Sanctus Beda Venerabilis, der Weise und Ehrwürdige
Sexta Feria, 27. Tag des Monats Mai
B run erschien zur verabredeten Stunde, doch ohne seinen Freund Jaume. Die Sache war ihm peinlich. Er sah verlegen auf die Spitzen seiner zerschlissenen Stiefel.
»Jaume lässt sagen, dass er froh ist, Euch dienen zu dürfen. Es ist nur … eine Weibergeschichte, Herr. Ist ihm nahegegangen. Er bittet sich ein paar Tage aus, dann kommt er nach.« Mehr wollte er nicht sagen, und es ging mich auch nichts an.
Ich zuckte mit den Schultern. »Er kennt den Weg?«
»Ja, Herr. Er kennt die Gegend.«
»Gut. Aber wenn er nicht in einer Woche in Rocafort ist, dann soll er sich einen anderen Herrn suchen.«
Brun nickte. Wir hatten ihn am Tag zuvor nach seinen Erfahrungen als Söldner befragt. Er war der Sohn eines freien Bauern, jedoch früh von zu Hause ausgerissen. Bei verschiedenen Adligen hatte er gedient. Die Namen sagten mir nichts. Angeblich hatte er auch einen spanischen Feldzug bei den Aragonesen im Süden mitgemacht und dabei einiges an Kampfhandlungen erlebt. Er war also kein Neuling. Auf Rocafort würde ich seine Fähigkeiten prüfen und falls nötig verbessern. Nun gab es anderes zu tun.
Ich hatte dem Wirt drei Maultiere
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