Der Bastard von Tolosa / Roman
Seite wiederzufinden. Brücken über Bäche und Flüsschen waren selten, und wenn, dann aus Holz, manche in einem wenig vertrauenswürdigen Zustand. Meist überquerten wir die Flussläufe an seichten Stellen, wo das Ufer von kreuzenden Viehherden aufgeweicht und schlammig war. Doch Adela, trotz der schwierigen Straßen, hielt sich selbst nach Stunden noch gut im Sattel.
»Du wünschst dir also einen hübschen Ritter«, neckte ich sie, »der dich auf seinem Ross entführt?«
»Davon träumen doch alle Mädchen«, kicherte sie. »Ist es nicht wahr, Cortesa?« Die Magd lächelte scheu.
»
Ben, mon anjol.
Dann will ich dir von Almodis erzählen, deren Liebhaber ein Maurenschiff schickte, um sie zu entführen.«
»Seeräuber?« Der Gedanke gefiel ihr weniger. Der Schreck unserer Begegnung auf dem Meer saß ihr noch in den Gliedern.
»So sollte es aussehen, aber es waren keine. Es ist bald an die sechzig Jahre her, und inzwischen ist Almodis schon lange tot, aber man redet immer noch von ihr. Sie stammte aus edlem Geschlecht und war eine anerkannte Schönheit. Nach kurzer Ehe mit einem Lehnsmann des Herzogs von Aquitania, die wieder aufgehoben wurde, vermählte man sie mit Pontius, dem Grafen von Tolosa.«
»Pontius, wie Bertrans Sohn in Tripolis?«
»
Certas!
Der ist eben nach seinem Urgroßvater benannt worden. Sie heiratete also den Grafen Pontius von Tolosa und gebar ihm vier Kinder, Guilhem der Älteste, Raimon Sant Gille, Bertrans Vater, ein Hugues, der Abt wurde, und noch eine Tochter, die ebenfalls Almodis getauft wurde.«
»Was war denn nun mit der Entführung?«
»Warte es ab,
mon cor!
«, rief ich. »Mit dreiunddreißig war sie immer noch eine schöne Frau. Es heißt, die Edelleute des Hofes lagen ihr zu Füßen. Selbst der Graf mochte ihr nichts abschlagen. Vielleicht auch, weil er zwanzig Jahre älter war«, sagte ich spöttisch. »Einer ihrer Verehrer war Ramon Berenguer, Graf von Barcelona, damals erst neunundzwanzig und auf Besuch in Tolosa. Es gab Gerede, aber Pontius wies alles Geschwätz von sich und wollte nicht die Tugend seiner Gemahlin in Frage stellen. Zumal Ramon Berenguer inzwischen in sein heimatliches Catalonha zurückgekehrt war.«
»Wie alt war Sant Gille zu der Zeit?«, fragte Hamid, der gelauscht hatte.
»Schätze, elf oder so. Sein Bruder war zwei Jahre älter.«
»Und dann?«, fragte Adela, die an meinen Lippen hing.
»Ein paar Monate später reiste Almodis nach Narbona, um eine Verwandte zu besuchen. Dort ritt sie eines Tages am Strand, nur von einer Magd, ihrem Kaplan und zwei Soldaten begleitet, als sie von maurischen Seeräubern überfallen wurden, die in der Nacht heimlich gelandet waren. Die Wachleute fand man später erschlagen am Strand. Von Almodis und dem Priester keine Spur.«
»Also waren es doch Seeräuber!«, rief Adela erschrocken.
»So dachte man, und Pontius wartete ungeduldig, dass man ihm eine Lösegeldforderung stellte. Es dauerte viele Monate, bis eines Tages jener Mönch, Almodis’ Kaplan, in Tolosa erschien und die Wahrheit berichtete. Seine Herrin sei in Barcelona, habe inzwischen Ramon Berenguer geehelicht und sei bereits von ihm schwanger. Dem Grafen Pontius ließ sie ausrichten, sie bitte ihn tausendmal um Vergebung, aber nun habe sie zum ersten Mal in ihrem Leben die Liebe gefunden, und ihre Bestimmung läge in Barcelona.«
»Es war alles ein abgekartetes Spiel gewesen?«, fragte Adela mit großen Augen.
»Scheint so! Denn die maurischen Seeräuber waren in Wirklichkeit Männer des Emirs von Tortosa, eines Nachbarn und Verbündeten des jungen Ramon Berenguer.«
»Sie hätte das nicht tun dürfen, Vater.«
»Recht hast du. Aber man hat ihr verziehen. Dem Grafen von Barcelona schenkte sie noch vier Kinder, darunter die Zwillingssöhne, die ihn später beerbten.«
Hamid lachte. »Ein fruchtbares Weib, so viel ist sicher!«
»Als Pontius gestorben war, erlaubte man ihr sogar, zur Hochzeit ihrer Tochter nach Tolosa zu kommen, wo sie trotz allem vom Volk wie eine Heldin empfangen und mit aller Hochachtung behandelt wurde. Eine bemerkenswerte Frau.«
»Und was ist aus ihr geworden?«, fragte Adela.
»Hat dann doch ein böses Ende genommen«, erwiderte ich. »Ramon Berenguers Sohn Pedro aus erster Ehe war auf ihren Einfluss am Hof so neidisch, dass er sie eines Tages erdolchte. Genützt hat es ihm nichts, denn für diese Tat wurde er vom Vater verbannt und von der Erbfolge ausgeschlossen.«
»Die arme Frau!«, flüsterte Adela entsetzt.
»Du
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