Der Bastard von Tolosa / Roman
presste. Dann nahmen wir gemächlich unseren Weg wieder auf.
Nach ein paar Meilen, die Sonne näherte sich schon den Bergkämmen, befanden wir uns vor einem großen Fronhof, wo wir um Unterkunft für die Nacht baten. Der Verwalter empfing uns freundlich und öffnete seine Gästekammern. Für die Tiere fand sich Futter, und das Gesinde brachte kühles Brunnenwasser für ausgetrocknete Kehlen.
Als Alexis der Magd vom Reittier half, brach sie in seinen Armen zusammen und konnte auf ihren Füßen nicht mehr stehen. Der Junge versuchte, ihren Schnürschuh auszuziehen, doch dabei stöhnte und wimmerte sie so sehr, dass er es aufgab. Leder und Socke waren vermutlich an aufgeplatzten und blutenden Blasen verklebt. Er musste ihr die Schuhe in einem Wasserbottich einweichen, bevor er sie davon befreien konnte. Als ihre geschundenen Füße hervorkamen, sahen sie übel aus. Alexis wusch sie in sauberem Wasser, rieb sie mit Schweinefett ein und wickelte sie unter Hamids Anleitung vorsichtig in leichte, saubere Leinenbinden. Während dieser Behandlung biss sie sich auf die Lippen und kämpfte mit den Tränen. Armes Mädel. Alexis kümmerte sich liebevoll um sie, flüsterte ihr Ermutigung zu und küsste sie verstohlen auf den Mund, als er sich unbeobachtet glaubte.
Es war ein reiches Gut, auf dem wir uns befanden. Haupthaus, Scheune, Schmiedewerkstatt und Stallungen bildeten ein Viereck um den geräumigen Hof, der sich nur nach Süden zu öffnete. Diese Bauweise schützt ein wenig vor dem
mistral,
dem kalten Nordwind, der hier an manchen Tagen des Jahres mit so überraschender Gewalt bläst. Mitten im Hof befand sich der Brunnen. Eine Stiege führte zu einem geräumigen Saal, der über Küche und Vorratslagern lag, ein schmaler Gang zu den Kammern. Außerhalb des Guts bildeten die aneinandergelehnten Behausungen der Leibeigenen eine winzige
vila.
Solche Fronhöfe gibt es viele im Land verteilt, und dieser gehörte zum Erzbistum Narbona.
Der Verwalter, oder
villicus,
wie man sie noch allerorten nennt, war ein schlanker Mann mit einem offenem Gesicht und herzlichem Lächeln, mit dem er nicht geizte. Er nannte sich Simon, wie der Apostel des Herrn.
»Bring deine Familie!«, sagte ich. »Heute lade ich alle ein.«
»Zuerst müsst Ihr essen,
Senher
«, erwiderte er erfreut. »Aber nachher leisten wir Euch gern Gesellschaft.«
»Bring das Gesinde mit. Es soll ein fröhlicher Abend werden.«
Sie tischten gebratene Wachteln auf und einen wunderbar duftenden Hammelrücken vom Rost. Der lange Ritt hatte uns ausgehungert, und so ließen wir es uns schmecken. Nach dem Essen wurden weitere Bänke in den Saal getragen und Wein und Most gebracht. Simon stellte uns sein Weib vor, die in Begleitung ihrer zwei heranwachsenden Töchter erschienen war und sich still lächelnd an die hintere Wand setzte. Trotz ihrer einfachen, ländlichen Kleidung erwiesen sich alle drei als ausgesprochen hübsche Weibsbilder.
Bald brannte ein Feuer gegen die Abendkühle, und schüchtern traten immer mehr Mägde und Knechte in den Raum und suchten sich ein Plätzchen. Kinder krochen zwischen den Beinen der Großen hindurch, Hunde steckten neugierig den Kopf herein, um zu erfahren, was der ganze Wirbel bedeuten mochte, und plötzlich stand vor mir ein kleiner Bub mit zerzausten Haaren und triefender Rotznase. Ich hob ihn auf meinen Schoß und goss ihm einen Becher Apfelmost ein. Simons Frau erhob sich verlegen, um mir das Kind abzunehmen, aber ich winkte ihr zu, sich wieder zu setzen.
»Seit vielen Jahren bin ich zum ersten Mal wieder in der Heimat. Und das möchte ich feiern. Seid also meine Gäste, solange Bischof Odos Vorrat reicht.«
Ich hatte ihnen inzwischen gesagt, wer ich war. Man ließ es sich also nicht zweimal sagen, und aus schüchternen Anfängen wurde schnell eine ausgelassene Gesellschaft. Ein Dudelsack tauchte auf, und alles stampfte und klatschte im Takt. Dann bat Simon um Ruhe, und seine Töchter unterhielten uns mit Volksweisen. Ihre jungen Stimmen ergänzten sich wohlklingend, und bei den Kehrreimen sang alles aus voller Kehle mit. Nach jedem Lied gab es begeisterten Beifall, was die Mädchen umso mehr anspornte. Adelas Augen leuchteten, und sogar Cortesa hatte ihre Schmerzen vergessen und lachte und klatschte mehr als alle anderen.
Nach diesen Darbietungen beantworteten wir Simons Fragen nach dem Heiligen Land. Es wurde still im Saal, als alle andächtig lauschten. Ob die
sarasins
denn wirklich wie die Teufel seien und Hörner trügen,
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