Der Bastard von Tolosa / Roman
wollte eine Magd atemlos wissen. Ich winkte sie näher und legte ihre Hand auf Hamids Stirn. Ob sie Hörner spüre, fragte ich, und als sie schüchtern verneinte, erklärte ich ihr, dass sie dennoch die Stirn eines
deable de sarasin
berührt habe. Vor Schreck machte sie einen Satz rückwärts und bekreuzigte sich unter dem Gelächter aller Anwesenden. Aber als Hamid ihr sein wärmstes Lächeln schenkte, lachte sie selbst und war versöhnt.
Es wurde über die Aussaat geredet und wie der Weizen sprieße, über eine bevorstehende Hochzeit in der Nachbarschaft und was sonst das Landvolk bewegte.
Die besagte Hochzeit allerdings blieb lange Gesprächsstoff an diesem Abend. Denn ein freier Bauer hatte seine Tochter an einen wohlhabenden Steuereintreiber des Grafen von Narbona verheiraten wollen. Diese aber liebte den armen Jungen aus der Nachbarschaft und wollte sich nicht davon abbringen lassen. Als der Bauer seine Tochter einsperren wollte, waren die beiden kurzerhand in die Wälder geflohen. So schafften sie durch die Entführung Tatsachen, die sich schon bald nicht mehr leugnen ließen, denn als man die beiden endlich fand, war das Mädel schwanger und der Bauer musste zähneknirschend in die Hochzeit mit dem armen Schlucker einwilligen.
Adela, die der Erzählung mit ganzer Aufmerksamkeit gelauscht hatte, platzte plötzlich mit den Worten heraus: »Ach, würde mich doch eines Tages auch ein Rittersmann entführen.«
»Filha!«,
rief ich lachend. »Denk nicht einmal an so etwas.«
Dann wandte ich mich lachend an Simon. »Pass nur gut auf deine hübschen Töchter auf, sonst geschieht dir das Gleiche.«
»Heißt es nicht«, erwiderte dieser mit einem verschmitzten Lächeln,
»wer die Liebe verbietet, der gürtet ihr Sporen an?«
»Hört, hört!«, rief eine ältere Magd zum Gelächter der Leute.
Sie solle sich nur keine falschen Hoffnungen machen, knurrte ein ebenso betagter Knecht, was noch mehr Heiterkeit erzeugte. Währenddessen bemerkte ich, dass Simons Frau errötet war und ihrem Mann auf eine Weise zulächelte, als teilten sie ein Geheimnis. Was für eine Geschichte mochte sich hier wohl verbergen. Ich hob den Becher und trank Simon zu.
»Auf die Liebe, mein Freund!«
***
Frühmorgens weckte uns das Brüllen des Viehs.
Ich hämmerte an Hamids Kammertür. Alexis war schon mit den Tieren beschäftigt, als ich die Stiege hinunterstolperte. Nach kurzem Morgenmahl verabschiedeten wir uns von Simon und seiner Familie. Von Bezahlung wollte er nichts hören.
»Das Gut gehört dem Erzbistum, und Eurem Oheim habe ich vieles zu verdanken«, sagte er. »Da ist es mir eine große Freude, mich seinem Neffen erkenntlich zu zeigen. Es kommt von Herzen,
Senher
Jaufré!«
Seine Frau steckte Adela ein Säckchen getrockneten Obstes zu und küsste sie zum Abschied. Wie ich die Frau mein Kind umarmen sah, da fuhr mir ein Stich durchs Herz, und ich dachte an Noura. Brun und Alexis hoben Cortesa in den Sattel, nicht ohne anzügliche Bemerkungen des Gesindes. Ich versprach Simon, wieder bei ihm einzukehren, und als wir endlich unsere Reise aufnahmen, stand der halbe Hof am Wegrand und winkte uns nach.
Hamid war guter Laune, trotz der frühen Stunde, und summte vor sich hin. »Du hast dich verändert, seit wir Outremer verlassen haben«, sagte er.
»Wie meinst du das?«
»Als sei eine Last von deinen Schultern genommen. Und seit wir in diesem Land sind, liest du mehr Freunde auf als ein Hund Flöhe.« Dabei lachte er und schlug mir auf die Schulter.
Ich grinste zurück. Dieser Tage fühlte ich mich wirklich, als tränke ich einen prickelnden, jungen Wein, der einem angenehm in die Nase steigt und die Sinne belebt. Übermütig gab ich Ghalib die Sporen und galoppierte die Straße entlang und zügelte den Hengst erst wieder, als ich Brun fand, der mich überrascht anstarrte. »Dieser Schleichmarsch kann einem den Geist trüben«, rief ich ihm gutgelaunt zu. Wir warteten, bis sich die anderen näherten. Adela kaute auf den Trockenfrüchten, Cortesa saß mit verbundenen Füßen auf ihrem Maultier und machte einen zerknirschten Eindruck, das arme Kind.
Im Gegensatz zur Schönheit der Landschaft wurde die Straße immer schlechter. Pflastersteine, so wie auf der Via Domitia gab es hier nicht. Ochsenkarren hatten Furchen in den Weg gegraben, es gab tiefe und schlammige Regenlöcher. Und an einer Stelle war die ganze Straße vom Hang gerutscht. Wir mussten einen weiten Bogen durch sumpfige Wiesen reiten, um den Weg auf der anderen
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