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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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senkte sich, als sie tief durchatmete. Dabei schloss sie einen Augenblick lang die Augen. »Magdalena heiße ich, Herr«, antwortete sie dann leise.
    »Wie die Sünderin in der Bibel.«
    Sie blickte zu Boden. »Ja, eine Sünderin bin ich wohl.«
    »Und?«
    »Wir hatten einen Hof, vor langer Zeit, mein Mann und ich. Weiter nördlich, nahe der Aude. Und noch zwei Mädchen. Enric ist der Älteste. Die Kriegsknechte schleppten meinen Mann fort, als die Kinder noch klein waren. Sie brauchten Kämpfer für Jerusalem.«
    »Für Graf Raimon und die
militia christi?
«
    »Ja, so hieß es. Ich habe ihn nie wiedergesehen.« Bei der Erinnerung liefen ihr Tränen die Wangen herunter. Sie saß mit hängenden Schultern auf dem Stuhl. Entweder war die Geschichte wahr oder das Weib eine gute Lügnerin.
    »Die Landarbeit war zu schwer für mich allein, wir hatten schlechte Ernten. Da kamen sie und jagten uns vom Hof.«
    »Wer?«
    »Mönche. Mein Mann schuldete Pacht und Geld für die Saat, das er sich geborgt hatte.«
    Zuerst hatte sie sich als Magd auf einem Nachbarhof verdingt, musste aber fort, als die Bauersfrau merkte, dass der Mann begann, ihr schöne Augen zu machen. Für eine Weile war sie in einem Kloster untergekommen, wo sie den frommen Frauen zur Hand gegangen war. Aber es gab zu viele Arme und Kranke dort, um alle Mäuler zu stopfen, und so musste sie weiterziehen, immer mit ihren Kindern dabei, die Kleinste auf dem Arm. Bis nach Narbona war sie gekommen, in der Hoffnung, dort Arbeit zu finden. Doch niemand wollte sie beschäftigen, und so schlug sie sich mit Betteln durch, lebte lange Zeit auf der Straße. Im Winter war die Jüngste an Fieber und Keuchhusten gestorben, im Frühjahr die andere Tochter an der Schwindsucht. Da hatte sie sich entschlossen, das zu verkaufen, was man ihr auf ihrer Wanderschaft schon oft mit Gewalt genommen hatte, und war in ein Hurenhaus gegangen. Zumindest hatte sie dort eine Unterkunft und verdiente genug für sich und Enric, um zu essen. Nach einigen Jahren hatte ein gewisser Nemo sie dort herausgeholt.
    »Der erste Mann, der sich um uns gekümmert hat«, beschloss sie ihre Leidensgeschichte.
    »Seitdem lebst du also mit Räubern und Wegelagerern.«
    Sie sah mich flehentlich an. »Gebt mir meinen Enric, Herr. Er allein ist mir geblieben. Ich habe nichts in der Welt außer ihn.«
    Was rührte mich das Schicksal dieser Frau? So erging es Tausenden. »Wie hieß dein Mann?«
    »Joan Enric. Warum fragt Ihr?«
    »Weil auch ich bei der
militia
war. Aber ich kannte ihn nicht. Waren ja zu viele.«
    Ich fragte mich, wie er gestorben war. Durch ein Türkenschwert bei der ersten Schlacht, durch die Pestilenz im Lager am Orontes oder beim Sturm der Mauern von Jerusalem. Verschollen wie so viele.
    Innerlich verfluchte ich mein weiches Herz. Gewiss nur Lügengeschichten, die mir dieses Banditenweib auftischte. Und wenn es wahr war? Wie konnte ich der Frau eines Kameraden meine Hilfe verwehren, war er auch noch so niedrig gestellt?
    »Der Junge wird noch nicht reisen können«, sagte ich nach einigem Nachdenken. »In der Zwischenzeit kannst du der Frau des Schmieds zur Hand gehen. Sie hat zwei kleine Töchter.«
    »Aber ich muss zurück«, jammerte sie, »sonst …«
    »Sonst was?«
    »Nemo hat geschworen, Eure Felder zu verwüsten und Euer Vieh zu töten, wenn Ihr uns nicht gehen lasst.«
    »Tut er das nicht schon seit Monaten? Seltsame Dinge geschehen auf meinem Land, wie man mir berichtet.«
    Sie sah mich verständnislos an. »Davon weiß ich nichts, Herr! Ihr müsst mir glauben. Ich schwöre es beim Haupte meines Kindes.«
    Sie tat mir leid. Und gerade deshalb wollte ich weder sie noch den Jungen zu diesem Wegelagerer zurückschicken.
    »Wie dem auch sei, es ist besser, dass ihr beide hier bleibt«, sagte ich mit Bestimmtheit. »Denn solltet ihr jemals bei dieser Bande erwischt werden, dann endet ihr am Galgen. Hier aber gibt es Arbeit für dich und den Jungen. Er kann Tierhäute gerben, Schafe scheren oder das Pfluggerät ausbessern. Auch für dich wird sich etwas finden.«
    »Ich danke Euch für Eure Großmut, Herr.« Sie versuchte, meine Hand zu küssen. »Aber spätestens in zehn Tagen muss ich zurück sein. Sonst wird sich Nemo an Euch rächen. Ihr müsst es mir glauben.«
    »Hat er dir aufgetragen, dies auszurichten?«
    »
Senher
Castelan.
Nemo ist kein Prahler. Er tut, was er sagt. Fordert ihn nicht heraus!«
    »Das wollen wir doch mal sehen!«, knurrte ich unmutig und zog meine Hand zurück.

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