Der Bastard von Tolosa / Roman
Dort hatte sie ihre letzte Ruhe gefunden. Stumm standen wir vor dem Gedenkstein, auf dem ihr Name eingemeißelt ist, Cecilia de Monisat, Gemahlin des Ramon Montalban.
Wir Gottesfürchtigen, sei es Christen oder Muslime, glauben an ein Leben nach dem Tod. Wir glauben an die Seele, die zu Gott auffährt und in seiner Umarmung ewige Ruhe findet. Aber auch auf Erden leben die Toten weiter, in der Erinnerung derjenigen, die ihren Lebensweg geteilt haben. Hier also lag Cecilia, eine gute Herrin, von allen geachtet. In meinem Herzen versuchte ich, sie lebendig werden zu lassen, Trauer über ihren frühen Tod zu verspüren. Doch zu meinem Erstaunen empfand ich wenig für meine Mutter. Nur ein undeutliches Gefühl des Bedauerns für ihr unerfülltes Leben ohne Mann und ohne Kinder, außer einem Sohn, der sich von ihr abgewandt hatte.
Adela befingerte Cecilias Kreuz an ihrem Hals.
»Wo ist Großvater begraben?«, fragte sie.
»Irgendwo in Spanien. Er ist bei einer Schlacht gegen die Mauren gefallen. Nur sein Schwert hat man heimgebracht.«
»Hast du es noch?«
»Natürlich.« Ich verschwieg, dass Noura es zuletzt in der Hand gehabt hatte, um sich gegen ihren Mörder zu wehren.
»War er so groß wie du?«
»Nein. Eher untersetzt und kräftig. Wie viele Katalanen.«
»Und Großmutter? Wie hat sie ausgesehen?«
Ich versuchte, mir Cecilias Gesicht in Erinnerung zu rufen. »Sie war eine stolze Frau. Auch nicht sehr groß, fast zart. Hellbraune Haare, die sie meist unter einer Haube versteckt hielt, und kluge, graue Augen.«
»Dann sah sie aber nicht aus wie du.«
»Nicht wirklich.«
»Wieso bist du so groß, wenn deine Eltern klein waren.«
Ich zuckte mit den Achseln. »Odo ist groß, wenn dir das hilft.«
»Werden wir jetzt immer in diesem Haus wohnen?«, fragte sie. Gemeint war die
alberc.
»Ich hoffe nicht.«
»Aber wenn sie uns nie mehr in die Burg lässt?«
»Berta wird sich wieder beruhigen«, erwiderte ich mit mehr Überzeugung, als ich verspürte.
»Wirst du meine Kapelle bauen, wie du versprochen hast?«
Nun war es schon ihre Kapelle, dachte ich belustigt.
»Natürlich. Wenn sich alles ein wenig beruhigt hat. Aber zuerst muss ich einen Baumeister finden.«
Arme Cecilia. Auch Adela hatte andere Sorgen, als an ihre Großmutter zu denken. Für die Seele der alten Dame hoffte ich auf mehr Wärme im Himmel als bei uns Hinterbliebenen.
***
Vormittags ritten Hamid und ich mit Bauern aus dem Dorf zu den höher gelegenen Wiesen und begannen, die neuen Koppeln abzustecken. Einige Männer schlugen Holz für Umzäunungen, andere begannen die harte Arbeit, Brachland in Ackerböden zu verwandeln. Dabei unterhielt ich mich mit ihnen. Viehdiebstähle habe es in letzter Zeit gegeben, so klagten sie. Scheunen seien in Flammen aufgegangen. Jemand habe an manchen Stellen Olivenbäume umgehauen, und einem Pächter weiter das Tal hinauf habe man ein totes Kalb in den Brunnen geworfen und so das Wasser vergiftet. Es ging so weit, dass sich niemand des Nachts mehr hinaustraue. Erst kürzlich sei ein Kind tot geboren worden, und letzte Woche war eine Kuh beim Kalben gestorben. Vielleicht habe man, ohne es zu wollen, einen Heiligen beleidigt, oder Gott selbst habe sich von Rocafort abgewandt. Ja, und nun gebe es auch noch Streit unter den hohen Herrschaften. Dabei blickten sie betreten weg und wollten sich nicht weiter auslassen. Es war schon mutig, dass sie überhaupt etwas gesagt hatten.
Auf einer sanften Anhöhe stand eine alte, baufällige Schäferhütte. Dort saßen später Hamid und ich und schauten auf Rocafort hinunter. »Ich hoffe, dieser Unfriede dauert nicht zu lange«, meinte er. »Ich glaube, das Dorf leidet darunter.«
»Zunächst mal bin ich es, der darunter leidet«, erwiderte ich gereizt.
»Die Leute sind Berta treu ergeben. Du wirst dich mit ihr verständigen müssen. Sonst zerreißt es die Gemeinschaft.«
»Ich muss gar nichts!«, knurrte ich.
Als wir mittags zurück ins Dorf kamen, stellte Brun seinen Kameraden Jaume vor, der uns nachgeritten war. Er war nicht so groß wie Brun, im gleichen Alter, fast ebenso schäbig ausgerüstet, wie ich Brun vorgefunden hatte, aber von freundlicher Natur und einem kecken Grinsen, das jeden gleich für ihn einnahm. Er entschuldigte sich für sein spätes Kommen.
»Ist sie wenigstens hübsch?«, fragte ich.
Er lachte verlegen und bedankte sich für mein Verständnis. Dann schwelgte er in höchsten Tönen von der Liebe seines Lebens, während Brun die Augen
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