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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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vergessen.«
    »Du musst nichts erklären.«
    Sie sah mich mit leuchtenden Augen an. »Ein bisschen Glück auf meine alten Tage. Das schadet niemandem, oder?«
    »Nein, das tut es nicht.« Ich nahm ihre Hand in die meine. Und plötzlich, als ich in ihre Augen sah, fühlte ich mich als Eindringling in Dinge, die mich nichts angingen. Deshalb lenkte ich das Gespräch auf das, was mir selbst am Herzen lag.
    »Berta ist bei meinem Anblick völlig verrückt geworden.«
    »Du hast sie sehr verletzt, damals«, sagte sie nachdenklich. »Schlimmer noch. Du hast ihren Stolz als Frau mit Füßen getreten. Damals war sie zu jung, um sich zu wehren. Sie hat es hingenommen, aber nie vergessen.«
    »Ich habe nichts davon gemerkt.«
    »Natürlich nicht!« Plötzlich sprühten ihre Augen Feuer. »Du warst so besessen von deinem eigenen Leid, du hast gar nichts und niemanden mehr gesehen.«
    »Deshalb hasst sie mich also.«
    »Bei deinem Anblick muss ihr alles hochgekommen sein. Nur, heutzutage ist sie eine andere Frau, mein Sohn. Sie ist gewachsen. Es ist besser, du nimmst sie ernst.«
    »Sie hat mich zum verdammten Gespött des Dorfs gemacht.«
    »Ach was. Ein Kerl wie eine Eiche bist du geworden. Du wirst es überleben«, erwiderte sie ungerührt. »Aber eines solltest du ihr hoch anrechnen. Zu deinen Söhnen hat sie von dir immer nur mit Hochachtung gesprochen.«
    »Söhne?«
    »Raol und Martin natürlich.«
    »Von einem Martin weiß ich nichts«, sagte ich verblüfft.
    »Na, der wurde erst später, lange nach deiner Abreise, geboren«, sagte sie, als sei nichts Besonderes dabei.
    »An eine Schwangerschaft kann ich mich aber nicht erinnern«, brummte ich misstrauisch.
    »Was wisst ihr Männer schon davon? Außerdem hast du Berta doch kaum eines Blickes gewürdigt.«
    Ich war noch nicht bereit, mich mit dieser Aussage zufriedenzugeben.
Was wisst ihr Männer schon davon!
Oder,
das ist Frauensache!
So sprechen Weiber immer, wenn sie etwas zu vertuschen hatten. »Nach vierzehn Jahren komme ich zurück und finde plötzlich, o welch freudige Überraschung, einen Sohn vor, von dem ich nie gehört habe.« Ich lehnte mich vor und starrte ihr ins Gesicht. »Würdest du dir etwa keine Gedanken machen?«
    »Du kannst dir so viele Gedanken machen, wie du willst«, erwiderte sie patzig. »Berta ist eine ehrbare Frau, und Martin ist dein Sohn. Basta!«
    Ich lehnte mich wieder zurück und dachte darüber nach.
    »Am besten frag ich sie selbst.«
    »Das wirst du nicht tun, Jaufré!« Ihr bestimmter Ton überraschte mich. »Du hast sie schon genug gedemütigt. Damit soll jetzt Schluss sein!« Sie funkelte mich zornig an. Fast hätte ich laut gelacht, denn so hatte sie immer ausgesehen, bevor sie mir als Bub eine Ohrfeige verabreicht hatte. Um ehrlich zu sein, ich traute es ihr immer noch zu.
    »Außerdem«, fuhr sie fort. »Wer bist denn ausgerechnet du, um solche Fragen zu stellen? Vierzehn Jahre lang hat dich unser Leben hier nicht gekümmert. Und deine kleine Tochter? Ist die etwa auf Bäumen gewachsen?«
    Ich wollte nicht weiter auf mein Verhältnis mit Adelas Mutter eingehen, denn es war klar, da würde ich den Kürzeren ziehen. War heute nicht der Tag des Heiligen Justinus, des Philosophen? Wie er sollte ich die Dinge besonnen und abgeklärt angehen. Also beschloss ich, fürs Erste zu schweigen.
    »Schon gut.« Ich versuchte zu lächeln. »Kein Grund, verstimmt zu sein. Ich habe also zwei Söhne. Raol und Martin.«
    »Raol ist nicht immer einfach. Aber Martin ist ein lieber Junge. Du wirst ihn mögen.« So plötzlich, wie ihr Zorn gekommen war, so schnell war er auch verflogen. »Ich will jetzt versuchen, Berta zur Vernunft zu bringen.«
    Mit diesen Worten küsste sie mich auf die Stirn und war zur Tür hinaus.
    Joana wurde tatsächlich eingelassen, verbrachte sogar Stunden auf der Burg. Doch es gelang ihr nicht, Berta umzustimmen. Weder an diesem noch an den folgenden Tagen. Als ich sie mit Fragen bestürmte, sagte sie nur, Berta brauche Zeit. Zeit für was, wollte ich wissen. Meine Ankunft habe alles verändert, antwortete Joana. Berta müsse nachdenken. Mehr wollte sie nicht sagen. Was, zum Teufel, ging hier vor?

Cecilias Grab
    Sancta Blandina, Patronin der Dienstmägde und Jungfrauen
    Quinta Feria, 2. Tag des Monats Juni
    F rüh am anderen Morgen besuchten Adela und ich das Grab meiner Mutter. Am Westrand des Dorfs befindet sich ein kleiner, eingefriedeter Gottesacker, dessen oberer Bereich seit jeher von den Burgherren beansprucht wird.

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