Der Bastard von Tolosa / Roman
bietet.«
»Wie werde ich wissen, wenn du mich brauchst?«
»Ich werde jemanden schicken«, erwiderte ich. »Du weißt schon, wie.«
Er nickte, die Hand auf dem Knauf des Schwertes, das ich ihm geschenkt hatte. Und dann sagte er, es sei Zeit, sein Pferd zu satteln. Wir umarmten uns.
»Geh mit Gott, mein Freund«, sagte ich.
»
Dieu vos gard,
Jaufré!« Sein zuversichtliches Grinsen und kräftiger Händedruck machten mir Mut. »Wir werden es diesem herausgeputzten Höfling schon zeigen!«
Viele im Dorf schlangen ihre notdürftigste Habe auf den Rücken, um mit Drogo zu ziehen. Für uns andere begannen die Tage des Wartens. Meine Familie, Bedienstete und über dreißig Krieger zählte ich im Geist zusammen, dazu Alte, Frauen und Kinder, das würde sicher an die hundertundfünfzig Seelen ausmachen, wenn nicht mehr, die wir zu versorgen und zu schützen hatten. Und die Tiere. Wir würden eng zusammenrücken und Wasser und Nahrung sorgfältig einteilen müssen.
***
Drogos Auszug aus dem Dorf hinterließ eine Leere. Obwohl noch Familien im Dorf geblieben waren, schien es ohne Leben. Man hörte kaum einen Laut heraufschallen, es war, als hielte Rocafort den Atem an.
Magdalena kam zu mir und verlangte von neuem, dass ich sie und ihren Sohn Enric ziehen ließ. Vielleicht hatte sie Angst, und damit wäre sie sicher nicht die Einzige gewesen. Aber ich war entschlossen, beider Räuberdasein zu beenden. In gewisser Weise fühlte ich mich seit dem Überfall bei der Taula de Sarasins für Enric verantwortlich.
»Ihr meint es gut, Herr!« Ihre Augen wurden feucht, und sie wandte sich ab. Schon wieder Weibertränen. Unbeholfen klopfte ich ihr auf den Rücken, um sie zu beruhigen. »Aber Nemo hat mir heimlich einen Boten geschickt. Er hat abermals gedroht, Eure Felder zu verwüsten, wenn ich nicht zu ihm gehe.«
»Wir sind gerüstet, Weib!«, erwiderte ich, denn Drohungen bewirken bei mir meist das Gegenteil. »Ein Feind mehr oder weniger, was macht das schon?«
Hamid war zu uns getreten. Er war gerade aus den Bergen zurück.
Als Magdalena ihn sah, wischte sie sich die Tränen von den Wangen, und plötzlich schien ihr Gesicht zu leuchten. Wie schön sie ist, dachte ich, auch wenn kein junges Mädchen mehr. Und dann sah ich, wie Hamid sie auf eine Weise anlächelte, die mir zu denken gab.
»Warum die Tränen, Magdalena?«, fragte er sanft.
»Sie will zu ihrem Nemo zurück«, murrte ich. Hamid runzelte die Stirn. Bei meiner Bemerkung war auch Magdalenas Lächeln wieder verflogen. »Oder willst du dein Wissen über Rocafort verkaufen?«, fragte ich bissig, obwohl ich das nicht wirklich glaubte.
Sie sah mich betroffen an. »Ich würde niemals …«
»Das reicht, Jaufré!«, knurrte Hamid.
»Bist du jetzt ihr Beschützer?«, fragte ich verdrießlich.
»Ich dachte, dazu hattest du dich schon aufgespielt.« Er sah mich herausfordernd an, und Magdalena starrte unglücklich auf ihre Zehenspitzen. Es fehlte noch, dass wir uns stritten, aber die Warterei begann einen zu zermürben.
»Also schön«, brummte ich. »Ich nehme das zurück. Es tut mir leid. Aber du wirst nicht gehen, Magdalena. Und das ist mein letztes Wort. Rede mit Joana, sie wird euch ein Plätzchen auf der Burg einrichten.«
Damit ließ ich die beiden stehen. Ich suchte Joana, aber sie war nirgends zu finden. Es hieß, sie sei bei ihrem Köhler im Wald, aber niemand wusste es genau.
Deable,
dachte ich, ausgerechnet jetzt, da Roberts Reiter jeden Augenblick ins Tal einfallen konnten.
Beim Abendmahl in der
aula
wurde wenig gesprochen, und um die gedrückte Stimmung aufzulockern, erzählte Hamid, dass unsere Zucht auf dem Weg sei. Die meisten Stuten hatten sich decken lassen. Niemand schien ihm jedoch so recht zuzuhören, also beendete auch er sein Mahl schweigend. Sogar Martin war heute still. Berta spielte lustlos mit dem Essen auf ihrem Teller, und Adela saß neben ihr und beobachtete sie verstohlen.
»Wo ist Joana?«, fragte ich schließlich.
Berta zuckte teilnahmslos mit den Schultern. Auch sonst wusste niemand etwas.
»Kann ich bei dir schlafen, Berta?«, bettelte Adela mit einer Kinderstimme, die ich schon lange nicht mehr bei ihr gehört hatte. »Jetzt, da Rosa nicht da ist.«
Berta strich ihr mit den Fingern durchs Haar. »Natürlich,
mon cor.
Das darfst du gerne.« Ich hatte noch gar nicht bemerkt, dass die beiden schon so befreundet waren. Spürte ich einen kleinen Stich von Eifersucht? Dabei sollte ich doch froh sein, wenn Berta sich ihrer
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