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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Fluss wäre mir willkommen gewesen. Zum ersten Mal seit dem Überfall atmete ich tief durch. Doch Kyriacos ging mir nicht aus dem Kopf. Sein Verrat nagte an mir und die Tatsache, dass sein Plan fast aufgegangen wäre.

Graf Bertrans Vetter
    Maria Annunziata, die Verkündigung des Herrn
    Sexta Feria, am Abend, 25. Tag des Monats März
    R icard de Peyregoux mochte mich nicht, das war offensichtlich. Seine lauernden Blicke folgten mir, als ich mich an Bertrans Feuer niederließ. Der Graf hatte uns eingeladen, sein Mahl zu teilen. Sein junger Vetter saß schon neben ihm, als Hamid und ich uns zu ihnen gesellten.
    Ricard war schlank, fast hager, von eher kleiner Statur, hatte dunkle Haare und ein spitzes Gesicht mit scharfen Zügen, trotz seiner Jugend. Es schien ständig eine Bitterkeit um seinen Mund zu liegen. Am wenigsten gefiel mir die kaum verschleierte Boshaftigkeit in seinen Augen.
    Bald darauf gesellte sich auch Roger d’Asterac zu uns. Im Gegensatz zu Ricards saurer Miene mochte ich das offene Gesicht dieses Ritters aus der Provence. Ich dankte ihm für seine Hilfe in der Schlacht.
    »Nicht mehr, als Ihr für mich tun würdet, Jaufré«, grinste er unbekümmert.
    Alle hatten sich der Rüstungen entledigt, und Hamid trug nach seiner Sitte ein Tuch um den Kopf geschlungen. Bertran hatte sich inzwischen an Hamid gewöhnt und war zufrieden, sein Mahl mit einem Muslim zu teilen. Ricard dagegen warf uns einen missbilligenden Blick zu. Aber nicht nur uns. Mir war, als habe es eine Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Grafen gegeben. Den schien es jedoch wenig zu kümmern, denn er war in fröhlicher Laune und zu allen ausgesucht freundlich.
    Bertrans Leibdiener brachten uns das Essen. Wir waren ausgehungert und schlangen es hinunter. Nach den Schrecken des Tages schien alles besser als sonst zu schmecken. Wir nagten an Hammelknochen und wischten mit noch warmem und duftendem Fladenbrot das Fett ab, das von Fingern und Bärten tropfte. Der Graf sprach lebhaft dem Wein zu. Von Zeit zu Zeit hob er den Weinschlauch und spritzte sich einen langen Strahl in die Kehle. Dann ließ er den Schlauch von Mann zu Mann gehen. Hamid trank keinen Wein, und was mich betraf, so kannte ich mich nur allzu gut. Sich zu betrinken war gefährlich, denn da draußen lauerte vielleicht noch der Feind. Also blieb auch ich bei Wasser.
    Wir redeten über die Schlacht und taten, als sei es nichts Besonderes gewesen, ja man witzelte sogar, obwohl das Geschehene jeden noch sehr aufwühlen musste. Für einen alten Soldaten verliert das Töten mit der Zeit ein wenig von seinem Schrecken. Aber daran gewöhnen kann man sich nicht. Vielleicht redeten wir deshalb viel und sagten doch wenig. Ein Mann spricht ungern über seine Ängste und ertränkt sie lieber im Wein.
    »Was habt ihr von den Gefangenen erfahren?«, fragte ich schließlich.
    »Nicht viel. Stumm wie Fische. Angeblich kennen sie den Griechen nicht.«
    »Will nichts sagen«, warf Roger ein. »Er kann durch Boten verhandelt haben. Oder sie lügen.«
    Hamid räusperte sich. »Es sind nur Unterführer. Ihr Heerführer, ein gewisser Selim, konnte entkommen.«
    »Lohnt sich kaum, Boten mit Lösegeldforderungen zu entsenden. Da bekommen wir mehr auf dem Sklavenmarkt«, meinte Bertran geringschätzig.
    Ricard schwieg währenddessen. Manchmal blickte er missmutig zu mir herüber. Dabei sah sein Gesicht aus, als hielte er ein Gift in sich zurück, so lange, bis er es schließlich ausspucken musste.
    »Montalban«, fuhr er mich auf einmal an. »Seid Ihr nicht für den Schutz unseres Herrn,
Coms
Bertran, zuständig?«
    Als ich dies bejahte, fuhr er fort: »Wie konntet Ihr dann sein Leben so leichtfertig in Gefahr bringen?«
    Die Gespräche verstummten, und alle starrten ihn entgeistert an. Er hatte einen wunden Punkt getroffen. Verrat hin oder her. Ich war weiß Gott nicht stolz darauf, in diese Falle getappt zu sein. Und nur mit Glück hatten wir uns einer völligen Niederlage entziehen können. Hatte ich mich zu sicher gefühlt?
    »Im Krieg läuft auch der beste Plan in die Irre«, antwortete ich lahm. »Man ist vor Überraschungen nicht gefeit.«
    »Wenn es denn wenigstens einen Plan gegeben hätte. Eure Vorhut hat kläglich versagt. Und wo waren die Späher?«
    »Das waren Kyriacos’ Männer. Die haben uns ja in die Falle geführt.«
    »Das ist es ja«, schrie er mich an. »Wie konntet Ihr Euch auf diesen Griechen verlassen? Prüft Ihr nicht, wem ihr solche Aufgaben anvertraut? Oder seid Ihr gar

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