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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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mit ihm im Bunde?«
    Was für ein Rotzlümmel! Alle anderen waren totenstill geworden. Rogers Hand war an den Schwertgriff gefahren. Dachten sie, ich würde jetzt aufspringen und das Milchgesicht zum Duell fordern? Eine Zurechtweisung hätte er verdient, aber vor dem Grafen versuchte ich, die Ruhe zu bewahren, und würgte eine scharfe Antwort hinunter. Vielleicht war er nur so wütend, weil ich seine kleine Schwäche bemerkt hatte. Doch was war schon dabei? Der junge Severin hatte gekotzt wie ein Reiher. So ist das beim ersten Mal.
    »Ihr seid noch zu erregt von der Schlacht, wie wir alle«, sagte ich und versuchte, die Sache herunterzuspielen. Meine ruhige Stimme schien ihn jedoch noch wütender zu machen. Ricard war so erbost, dass ihm beim Sprechen Speichel und Bröckchen von Hammelfleisch aus dem Mund flogen, während er noch lauter zeterte.
    »Man muss dem Allmächtigen danken, dass er Euch schlaue Hunde gab. Schlauer als ihr Herr.«
    Bertrans Miene hatte sich zunehmend verfinstert, und während Ricard noch boshaft über seinen höhnischen Scherz lachte, lehnte der Graf sich plötzlich zu seinem Vetter hinüber, langte mit fettigen Fingern nach dessen Ohr und drehte daran, bis Ricard vor Schmerz aufschrie. Dann packte er ihn beim Hemd und zischte ihm ins Gesicht: »Ich habe deiner Mutter versprochen, dass ich auf dich aufpasse, damit du keinen Unsinn anstellst. Und obschon du schon zwanzig bist, so ist es vielleicht noch nicht zu spät, dir beizubringen, dass du Männer achten sollst, von denen du viel lernen kannst. Und wie wagst du es, so mit meinem
castelan
zu reden, der dein Hauptmann ist?«
    Den letzten Satz hatte er laut gebrüllt, und Ricard zuckte erschrocken zurück. Das hatte er nicht erwartet, und er war schneeweiß geworden. Wortlos sprang er auf und rannte davon.
    »Er ist noch jung«, sagte ich beschwichtigend, aber innerlich freute mich die Züchtigung dieses frechen Welpen.
    »Kleiner Widerling«, knurrte Bertran. »Wie konnte ich mir nur diese Kröte aufhalsen lassen.« Auf einmal sah er das Komische an der Situation und lachte in sich hinein. »Das hat mir schon seit Wochen in den Fingern gejuckt.«
    Wenig später entschuldigte sich Hamid, er wolle noch einmal mit den Gefangenen reden. Roger schloss sich ihm an, und die beiden empfahlen sich. Auch ich wollte mich erheben, aber Graf Bertran machte mir Zeichen, dass er mit mir zu reden wünschte.
    Es war ein Abend unter klarem Sternenhimmel, vereinzelt aufgehellt vom Aufflackern der Feuer und dem Funkenflug, wenn einer der Mannschaften in der Glut stocherte oder frische Äste auflegte. Im kühlen Nachtwind wehten Gesprächsfetzen und bisweilen leises Lachen zu uns herüber. In Wahrheit hätte ich lieber mein Nachtlager aufgesucht, aber Bertrans Handbewegung war eindeutig gewesen.
    »Was ist das für eine Narbe in Eurem Gesicht, Montalban?«
    Ich fasste mich an die Wange. »Antiochia. Ein Türkenspeer.«
    »Wohl nicht die einzige Verwundung.«
    »Nein, nicht die einzige.«
    In Bertrans dunklen Augen lag für einen Augenblick die Erinnerung an das Grauen der Schlacht. Oft wird man wochenlang von jenem eisigen Schrecken verfolgt, der einem Mann die Eingeweide erfrieren lässt. Wie leicht hätte man selbst ein hilflos zuckendes Stück Fleisch im blutigen Gras werden können. Manche grübeln endlos oder verlegen sich aufs Saufen. Dann sind sie als Krieger nicht mehr zu gebrauchen. Nein, es brachte nichts, zu viel über Schlachten nachzudenken, sonst verlor man den Verstand.
    Bertran trank einen tiefen Schluck, lehnte sich gegen seinen Sattel zurück, den er als Rückenstütze nutzte, und rülpste genüsslich. Den Schwertgürtel hatte er abgelegt und sein Wams aufgeschnürt. Er machte wieder einen aufgeräumten Eindruck. Vielleicht verspürte er das aufgeregte Hochgefühl tiefer Erleichterung nach überstandener Gefahr. Dafür, dass man noch am Leben ist, atmen und die Erde riechen darf.
    Er war nicht so hünenhaft gebaut wie sein Vater, denn der Alte hatte die Körpermaße seiner fränkischen Vorfahren besessen. Bertran war drahtig und saß gut zu Pferde. Anders als die meisten Männer auf diesem Ritt war er rasiert und seine Hände weicher als die schwieligen Pranken der erfahrenen Krieger. Die lebhaften, dunklen Augen schienen nichts zu übersehen, obwohl frühe Tränensäcke und blaue Äderchen auf der Nase keinen Hehl aus seiner Vorliebe für guten Wein machten. Sein Gesicht schien immer in Bewegung zu sein, und die Krähenfüße an den Augen

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