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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Mitte geschlungen, meine Schenkel an die Rippen des Braunen gepresst. Gottlob war sie kein Fremder auf einem Pferd. Vornübergebeugt, die Hände in die Mähne gekrallt, glich sie geschickt die Bewegungen des Wallachs aus. Mit unserem doppelten Gewicht war es ein Glück, dass er ein kräftiger Bursche war. Dumpf hämmerten seine Hufe auf dem Boden, und mit langen Sätzen sprengte er durch den Wald. Wir mussten uns ducken, um nicht von niedrigen Zweigen aus dem Sattel gefegt zu werden.
    »Und du«, rief ich ihr ins Ohr. »Wo warst du in dieser Geschichte. Warst du nicht meine Amme und hast mich genährt.«
    »Das habe ich! Aber meine Geschichte erzähle ich dir ein andermal«, brüllte sie zurück. Wir mussten schreien, um uns bei dem wilden Ritt zu verständigen.
    Es blitzte abermals, gefolgt von einem mächtigen Donnerschlag. Der Braune warf den Kopf hoch und wieherte schrill. Nur keine Panik, Alter. Weiter ging es in halsbrecherischer Geschwindigkeit. Jetzt setzten wir über den Fluss, das Wasser spritzte in Fontänen unter den Hufen auf. Der Braune verlangsamte seinen Lauf, suchte sich am anderen Ufer einen Weg die Böschung hinauf, und dann ging der Höllenritt weiter. Zum Glück waren wir nicht gestürzt. Hinter uns hörte ich die Hunde durch das Flussbett jagen.
    »Verstehst du jetzt, was Robert vorhat?«, schrie mir Joana ins Ohr.
    »Nein!«
    »Du bist Graf Guilhems Erbe.«
    »Ich? Wieso?«, brüllte ich zurück.
    »Du bist sein ältester Sohn!«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ein Bastard hat keine Rechte. Und wenn alles so heimlich war, wusste er doch nichts von mir.«
    Wir galoppierten über eine Wiese. Der Braune begann zu schwitzen.
    »Du irrst. Er liebte Anhes, und er wusste alles. Odo und der alte Borcelencs haben dich hier versteckt. Auf seinen Befehl.«
    Wohl eher, um einen peinlichen Balg aus dem Weg zu haben, dachte ich grimmig.
    So viele Fragen tobten in meinem Kopf. Aber dazu war jetzt keine Zeit. Der Braune schnaufte heftig. Ich trieb ihn weiter an. Nur jetzt nicht schlappmachen, Junge.
    »Trotzdem«, schrie ich gegen die Windbö an, die über die Wiese fegte und uns Tränen in die Augen trieb. »Nicht ohne Testament. Und selbst dann …«
    »Vielleicht gibt es eins«, rief Joana, »und es ist auf Rocafort versteckt. Vielleicht ist Robert deshalb so versessen auf die Burg.«
    Ein abwegiger Gedanke, aber irgendetwas musste sich auf der Burg befinden, hinter dem er her war. Wie sollte man sonst seine Handlungen erklären? Der Braune mühte sich jetzt einen Hang hinauf, eine Abkürzung zum Dorf. Schaum flog ihm vom Maul.
    »Was soll er mit einem Testament, falls es das gibt?«
    »Raol!«, schrie sie zurück. »Raol ist der Schlüssel!«
    Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! Von Anfang an hatte Robert es darauf abgesehen, die Munt über die Jungs zu erlangen. Alle hatten ja geglaubt, ich wäre in Palästina verschollen. Deshalb wollte er Berta heiraten. Dann wäre er ihr aller Vormund geworden und hätte frei im Namen meiner Söhne handeln können. In Raols Namen. Raol, der Erbe des Erben. Nur mich musste er loswerden. Mein Auftauchen hatte seine Pläne in Gefahr gebracht. Verdammt, war das des Rätsels Lösung?
    Joana wandte mir wieder den Kopf zu. »Er ist von Ehrgeiz zerfressen. Er will Macht«, rief sie. »Macht in Tolosa.«
    »Hast du von einem Bruder Jacobus gehört?«, brüllte ich.
    »Ja«, schrie sie zurück. »Odos
secretarius.
War immer in seiner Nähe.«
    Ich musste diesen Jacobus finden!
    Ich zügelte den Braunen auf der Anhöhe, die wir gerade erklommen hatten. Seine Flanken hoben und senkten sich wie wild, so dass ich ihm einige Herzschläge lang Ruhe gönnte, um halbwegs zu Atem zu kommen. Wir waren fast da. Nur noch ein kurzer Weg durch einen tiefer gelegenen Wiesengrund und dann das letzte Stück zum Dorf und zur Burg hinauf. Tiefschwarze Gewitterwolken zogen über das Tal und ließen alles finster und drohend erscheinen, obwohl es erst später Nachmittag war. Bäume bogen sich unter den Windböen, und abgerissene Blätter wirbelten in der Luft. Von Westen zog eine graue Regenwand heran. Das Horn schallte klagend vom Turm. Sie riefen uns. Sie brauchten uns.
    Und plötzlich tauchten Reiter auf, die über die Wiesen galoppierten. Eine Handvoll nur. Es musste Roberts Vorhut sein. Ich gab dem Braunen die Sporen und wusste, nun begann ein verzweifeltes Rennen um unser Leben. Wer würde zuerst die Burg erreichen?
    Lauf, Brauner, lauf! Er schien zu wissen, um was es ging,

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