Der Bastard von Tolosa / Roman
denn er gab alles. Die Reiter näherten sich dem Eingang des Dorfes. Sie hielten Schwerter und Lanzen in den Händen. Der Gaul keuchte, und fingerdicker Schaum flog ihm vom Maul. Auf dem weichen Wiesengrund machten die Hufe wenig Lärm, und noch hatten sie uns nicht bemerkt. Nun waren sie im Dorf. Ich hörte ein Aufschreien. Waren noch Leute in den Hütten? Der Braune mühte sich den Hang hoch. Plötzlich flackerte Feuer auf den Dächern. Verdammt! Sie mussten ein loderndes Herdfeuer gefunden haben und warfen brennende Scheite auf die Dächer. Dann erschienen zwei von ihnen zwischen den Hütten und entdeckten uns. Sie stießen ein wildes Triumphgeheul aus und spornten ihre Gäule an.
»Jaufré!«, schrie Joana vor Angst. »Wir schaffen es nicht!«
Ich schlug dem Braunen mit den langen Zügelriemen auf die Kruppe und trieb ihn zum Äußersten. Jeden Augenblick erwartete ich, dass er zusammenbrach, aber er hatte das Herz eines Löwen und mühte sich den Hang hoch. Das Tor stand offen, und auf den Mauern starrten sie gebannt auf das, was sich vor ihren Augen abspielte.
In diesem Augenblick öffnete der Himmel seine Schleusen, und ein gewaltiger, sturmgetriebener Regen peitschte hernieder. Wenigstens würden nun die Dächer nicht brennen, fuhr es mir durch den Sinn, als ob das jetzt von Bedeutung gewesen wäre. Wir waren sofort bis auf die Haut durchnässt, der Weg wurde glitschig, und unser Brauner strauchelte. Joana schrie auf. Aber er fing sich wieder und stürmte weiter. Die Reiter versuchten, uns den Weg abzuschneiden. Der Vorderste würde uns gleich einholen. Er hatte seine Lanze angelegt und zielte auf meinen ungeschützten Rücken. Es fehlten nur noch dreißig Schritte bis zum Burgtor, aber noch weniger trennten uns vom Tod.
»Weiter, Joana, durchs Tor«, brüllte ich, um den Lärm des Regensturms zu übertönen, und ließ mich von der Kruppe des Gauls gleiten.
Fast wäre ich ausgerutscht, fing mich aber rechtzeitig. Keine Zeit, um nachzusehen, ob Joana es schaffte. Mein Sprung vom Pferd hatte den ersten unserer Verfolger überrascht. Die Lanzenspitze hatte versucht, mir zu folgen, mich aber verfehlt. Ich packte den Schaft und riss damit den Mann vom Pferd. Sein Gaul ging in die Knie, der Reiter stürzte schwer auf den nassen Boden. Ein Blitz zuckte grell durch die Regenflut. Bevor der Kerl sich erheben konnte, hatte ich das Schwert aus der Scheide und hieb ihm zwischen Lederpanzer und Helm in den Nacken. Donner rollte über uns. Es war, als ob die Erde bebte.
Ohne abzuwarten, ob der Mann tot war, sprang ich dem nächsten Reiter entgegen. Pfeile flogen von der Mauer, verfehlten aber meinen Gegner. Ich sah seine entblößten Zähne. Grinste er aus Vorfreude, mich aufzuspießen? Plötzlich brach sein Gaul mit dem Vorderhuf in eine unserer getarnten Fallen. Krachend zerbarst der Knochen des rechten Vorderbeins, und das Tier überschlug sich fast, bevor es zu Boden ging. Der Reiter war auf den Knien im Dreck. Benommen versuchte er aufzustehen, da sprangen ihn die Hunde an, brachten ihn zu Fall und verbissen sich in seiner Kehle. Er hatte nicht einmal Zeit, zu schreien, bevor sich sein Blut mit dem Regen mischte. Ich pfiff Thor und Odin zu mir, und wir rannten, begleitet vom erleichterten Gejohle meiner Männer auf den Mauern, durch das Burgtor und in Sicherheit. Endlich konnten sie die schweren Torflügel zuwerfen und die Querbalken in die eisernen Halterungen rammen.
Joana fiel mir in die Arme und heulte vor Erleichterung.
Putan!
Das war knapp gewesen, dachte ich und wischte mir die nassen Haare aus der Stirn.
Ein unliebsames Wiedersehen
Sanctus Deodatus, Patron gegen Pest, Unglück, böse Geister, Gewitter, Nebel, Regen und Überschwemmung
Secunda Feria, 20. Tag des Monats Juni
K aum hatte sich Joana aus meinen Armen gelöst, als Berta, die vor Angst halb von Sinnen unseren irrwitzigen Wettlauf verfolgt hatte, von den Wehrgängen herabstürmte und mich zur Rede stellte.
»Bist du noch bei Verstand, Jaufré?«, schrie sie außer sich. »Ihr hättet beide tot sein können.«
Müde zuckte ich mit den Schultern. Joanas Enthüllungen, der wilde Ritt, ich befand mich noch in einem Zustand tauber Benommenheit, ebenso entrückt von den freudigen Gesichtern der Bauern, die mich umringten, wie von Bertas vorwurfsvoller Miene und harschen Worten. Ich wischte mir den Regen aus dem Gesicht und atmete tief durch. Natürlich hatte sie recht, besonders was Joana betraf. Und was mich anging, würde es ihr etwas
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