Der Bastard von Tolosa / Roman
bedeuten, mich dort draußen liegen zu sehen? Nicht viel, gab ich mir selbst die Antwort. Dann wäre sie mich wenigstens los.
»Lass es gut sein, Berta«, beruhigte Joana sie. »Es war allein meine Schuld. Ohne Jaufré …«
Bei diesen Worten fielen sich beide Frauen weinend in die Arme. Berta küsste Joana, hielt sie fest an sich gedrückt und schien sie nicht mehr loslassen zu wollen.
Per ma fe,
was für ein glorreicher Tag für Tränen, es wollte schier nicht enden. Ich hatte genug davon und trat zu den Männern.
»Wir hatten kein freies Schussfeld«, murmelte Hamid, der seinen kostbaren Bogen in die schützende Hülle steckte. »Der Kerl war euch zu dicht auf den Fersen. Und durch den heftigen Regen konnte man wenig erkennen. Ich hatte Angst, den Falschen zu treffen.«
Ich grinste. »Bin auch so zurechtgekommen.«
Er klopfte mir auf den Rücken, dann stiegen wir auf den Wehrgang. So heftig das Unwetter begonnen hatte, so schnell hatte es sich ausgetobt. Wind und Regen waren im Begriff nachzulassen, und im Westen riss der Himmel auf. Vor der Burg lagen die beiden Toten. Vor Augenblicken waren sie noch kraftstrotzende, junge Krieger gewesen, nun nur noch seelenlose Hüllen, die in unnatürlicher Haltung lagen, so wie sie gefallen waren. Wie Abfall des Krieges, dachte ich angewidert. Hatte ich nicht geglaubt, dies alles hinter mir gelassen zu haben?
Dem verletzten Gaul war es gelungen, sich zu erheben. Mit kläglichen Schmerzensschreien und mühsam auf drei Beinen humpelnd, suchte er sich den Weg zurück zu den Pferden der anderen Reiter aus Roberts Vorhut. Sie starrten zu uns herauf, hielten aber ihren Abstand.
»Ich hörte vorhin Schreie. Ist jemand im Dorf zurückgeblieben?«, fragte ich einen der Wachmänner auf der Mauer. Sie trugen dicke Mäntel gegen den Regen, die vor Nässe trieften.
»Ein paar Alte, vielleicht«, antwortete er.
»Loisa war es, Herr!«, rief Joan, ein junger Bursche aus dem Dorf. Er hatte sich bei unseren Übungen hervorgetan. »Sie hatte etwas vergessen.« Er schwieg betreten. Sollte ausgerechnet die alte Magd unser erstes Opfer geworden sein? Sie war wie eine Großmutter zu Drogos Kindern. Auch ich hatte lebhafte Erinnerungen an sie von früher.
»Zieh dir das über, Vater!«, hörte ich Adelas Stimme neben mir.
Sie hatte mir einen Mantel gebracht. Es war einer dieser weiten Umhänge aus unbehandelter Wolle, die nach Schaf riechen, aber gut gegen jedes Wetter sind. Als ich ihn anlegte, merkte ich, wie kalt mir in den nassen Kleidern geworden war.
»Danke. Das ist lieb von dir.«
Sie drängte sich an mich und hielt mich umfangen. »Berta hat mich geschickt. Sie will nicht, dass du dir den Tod holst.«
»Soso«, brummte ich etwas überrascht. Ich zog sie enger an mich und lächelte auf ihr besorgtes Gesicht hinab. »Mein armes Kind. Jetzt bist du schon wieder in einer Festung gefangen. Es tut mir leid.«
»Hier ist es anders, Vater«, sagte sie entschieden. »Dies ist unser Heim und unsere
familia.
«
Unsere
familia?
Nach Joanas Beichte war ich nicht sicher, ob es so etwas für mich überhaupt gab. Joan, der neben uns stand, nickte zu ihren Worten und hielt sich aufrechter. »Mit Gottes Hilfe werden wir sie vertreiben, nicht wahr, Herr?«
Ich sah in sein Gesicht, treuherzig wie das eines jungen Hundes, auf dem sich Eifer mit Ängstlichkeit mischte, und in seine unschuldigen Augen, die nach Ermutigung und Zuversicht heischten. »Jawohl, mein Sohn. Mit Gottes Hilfe. Aber auch mit deiner, Joan. Da bin ich mir sicher.«
Er wurde rot vor Freude.
Ich drehte mich um und sah hinauf zur Hauptburg. Mein Banner, der rote Eber, wehte trotzig auf dem Turm. Dann wanderte mein Blick hinunter in den Hof der Vorburg. Viele aus dem Dorf drängten sich noch unschlüssig mit ihren Habseligkeiten auf dem Arm und warteten, dass man ihnen ein Plätzchen auf dem Heuschober oder in den leeren und mit Stroh ausgelegten Pferdeställen zuwies. Sie mussten erst beim Klang der warnenden Hörner in die Burg geflüchtet sein. Ich sah Albin, Drogos Vater, die kratzbürstige Elena, die mich bei meiner Ankunft zur Rede gestellt hatte, und viele andere der älteren Dorfbewohner. Magdalena und ihr Sohn Enric waren unter ihnen. Doch die meisten waren junge Frauen mit kleinen Kindern auf dem Arm. Cortesa schien das Heft in der Hand zu haben und kümmerte sich um alle. Sie gab den Knechten Befehle, ließ Milch und Brot für die Kinder holen und führte jeden an seinen Platz. Ein kleines Mädchen trug ein
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