Der Bastard von Tolosa / Roman
aber hier in unseren Wäldern herrschten noch seltsame und mächtige Geister, auch wenn man es nicht laut sagen durfte.
Berta starrte mit großen Augen auf die vielen Narben an meinem Körper.
»Gaff den Mann nicht so an«, brummte Joana. »Hilf mir lieber, den Verband anzulegen.«
Als dies geschehen war, brachte Cortesa Wein. Ich nahm einen Schluck und grinste meinen Samariterinnen zu.
»So lass ich mich gern verwöhnen.«
Berta setzte sich zu mir, nahm meine Hand und sah mich an, ohne ein Wort zu sagen. Ihr Blick aus feuchten grünen Augen hielt mich lange gefangen, ein Blick, als sähe sie mich zum ersten Mal. Hatte sie mein Gesicht geküsst, als ich vor der Burg am Boden lag, oder war das nur eine Sinnestäuschung gewesen? Ich konnte mich nicht klar erinnern. Alles war so schnell gegangen.
»Du hast dich um Ramon gekümmert«, flüsterte ich ihr zu.
Sie bedachte mich mit einem überraschten, fast schuldbewussten Blick. »Du hast ihn gesehen?«
Ich nickte. »Ich danke dir von Herzen.«
Sie drückte meine Hand fester. »Er ist doch dein Sohn«, hauchte sie verlegen und schlug die Augen nieder. Ich wollte etwas erwidern, aber als Cortesa mit einer frischen Tunika für mich kam, war der Augenblick verloren.
Bald darauf trug sie Essen auf. Niemandem war danach zumute. Beim Essen redet es sich besser, meinte sie, und Joana gab ihr recht. Ich dankte der Magd und bat sie, Türen und Fensterläden zu schließen und allem Gesinde aufzutragen, uns nicht zu stören. Endlich blieben wir allein, um wieder Kriegsrat zu halten. Zuerst besprachen wir die Unterredung mit Robert.
»Raol in Tolosa? So weit?« Bertas Augen füllten sich mit Tränen. »Er hält ihn als Geisel, nicht wahr? Verschweigt es mir nicht!«
»Vielleicht«, sagte Hamid. »Aber er wird ihm nichts tun.«
»Wer schlachtet schon die Gans, die goldene Eier legt?«, fügte ich hinzu. Joana nickte grimmig, aber Berta war verwirrt.
»Was will er dann?«, fragte sie aufgelöst.
»Das Testament und den Ring der Grafen von Tolosa.«
Ich nahm den Ring vom Finger und gab ihn ihr.
Auf mein Kopfnicken hin begann Joana zu erzählen, alles, was sie mir am Nachmittag gebeichtet hatte. Berta wurde immer stiller, ihr Antlitz immer bleicher. Ungläubig wanderte ihr Blick zwischen Joana und mir hin und her. Ab und zu starrte sie auf den Ring. Ihre Mundwinkel zogen sich nach unten, und schließlich goss sie sich mit fahrigen Händen einen Becher Wein ein und trank ihn in einem Zug leer. Daraufhin drehte sie das Gesicht weg und blickte starr auf die gegenüberliegende Wand, ohne ein Wort zu sagen. Auch Hamid saß sprachlos auf seinem Schemel, als Joana geendet hatte.
»So seltsam das klingt, aber es ist möglich«, sagte ich, »dass das Testament, wenn es dieses wirklich geben sollte, mich als Erben von Tolosa bestimmt. Zumindest muss Robert davon überzeugt sein. Er will diesen Beweis mit aller Macht an sich bringen, und gelingt es ihm, mich aus dem Weg zu räumen, dann wäre Raol der Nächste in der Erbfolge. Deshalb war ihm die Munt über den Jungen so wichtig. Er will ihn zu seinem Werkzeug machen. Wer weiß, was er im Einzelnen vorhat, aber es kann nichts Gutes sein.«
Wir alle schwiegen, und jeder hing seinen Gedanken nach. Hamid schüttelte nur immer wieder den Kopf. »Nun wird auch klar, warum Odo Leibwächter auf dich angesetzt hatte. Er würde jetzt wissen, was zu tun wäre.«
»Zunächst müssen wir uns aus dieser Belagerung befreien«, sagte ich.
Unverhofft sprang Berta auf und warf den Becher an die Wand. Tränen der Wut strömten ihr über die Wangen. Es musste schon eine Weile in ihr gebrodelt haben. »Ich verfluche den Tag, an dem ich dich geheiratet habe, Jaufré Montalban!«, schrie sie außer sich und rannte schluchzend aus dem Saal.
Wir anderen sahen uns betreten an. Joana seufzte tief, und Hamid betrachtete lange seine Fingernägel. »Mit dem heutigen Tag hat sich alles für uns verändert«, sagte er leise.
Ich ließ den Kopf hängen. »Ich kann es ja selbst nicht fassen.«
Nach einer Weile brachen wir das Brot und begannen zu essen. Ich schmeckte kaum, was ich mir zwischen die Zähne steckte, zu sehr wühlte mich das Gehörte noch auf, selbst beim zweiten Erzählen.
»Aber wie ist es der
Comtessa
Anhes gelungen, die Schwangerschaft zu verbergen?« Hamid stellte die Frage, die mich ebenfalls beschäftigte. »Denn ich nehme an, Sant Gille hat nie etwas erfahren.«
Joana zuckte mit den Schultern. »Das war nicht schwer. Der Graf war kaum
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