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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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haben sich zurückgezogen«, rief Brun von der Mauer. »Zwei sind in unsere Fallen gestürzt, einen haben wir angeschossen.«
    Der junge Joan brachte mir meinen Schild. Er hatte ihn geholt, sobald der Feind zurückgewichen war. Ich dankte ihm, denn dieser Schild war mir lieb, hatte er mich doch schon in manchem Kampf beschützt.
    Unter denen, die einen Kreis um mich bildeten, standen auch Adela und Martin mit verschreckten Augen im Gesicht. Der Vorhof lag in tiefem Abendschatten. Nur die Zinnen der inneren Mauer über uns wurden noch von den Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtet. Hamid rief nach Licht. Er schnallte mein Lederwams auf, zog es vorsichtig über den Schaft und schnitt dann die blutdurchtränkte Tunika auf.
    »An Pfeilwunden bin ich ja gewöhnt«, scherzte ich. »Was ist schon eine mehr oder weniger?«
    »Ich hoffe, es sind keine Stofffetzen in der Wunde«, brummte Hamid. »Die führen oft zu Wundbrand und Fäulnis.« Beim Licht einer Öllampe sah er sich die Verletzung genau an. Er ruckelte an dem Bolzen, so dass ich vor Schmerz die Zähne zusammenbiss. »Scheint nichts hineingezogen zu haben. Bei Allah, du hast verdammtes Glück gehabt. Ein trefflicher Schuss. Der wäre ins Herz gegangen. Du musst dich im letzten Augenblick gedreht haben, so dass er nur die Rippen angekratzt hat. Dein Kettenhemd und das gepolsterte Leder haben die Wucht des Bolzens abgebremst. Er steckt quer und nicht tiefer als eine Daumenlänge. Viel mehr als der Muskel ist nicht verletzt.«
    Berta war beim Anblick meiner blutigen Brust erbleicht. »
Mon Dieu!
Es tut mir leid«, hauchte sie, aschfahl im Gesicht. »Ich hätte nicht hinauslaufen dürfen.«
    »Nicht deine Schuld«, sagte ich. »Sie hatten es von Anfang an geplant. All das Gerede war nur Ablenkung gewesen.«
    »Du stehst Roberts Plänen im Weg, so viel ist sicher«, ließ sich Hamid grimmig vernehmen.
    »
Que ribaut!
Was für ein hinterhältiger Halunke!«, stieß Berta zornig hervor. »Und der nennt sich Edelmann!«
    Wir alle waren über diese Schurkerei erschüttert. Armbrüste, oder
balestas tornissas,
wie man sie nennt, werden unter Adligen ohnehin als feige Waffen geächtet und dann so ein Anschlag bei einer Unterhandlung unter weißer Flagge. Die Unverfrorenheit verschlug einem den Atem.
    »Der Bolzen muss raus«, knurrte Hamid. »Mach dich darauf gefasst, dass es jetzt höllisch schmerzen wird.«
    Zum Glück trug die Pfeilspitze in meiner Brust keine nennenswerten Widerhaken. Ein Panzerbolzen also. So gearbeitet bieten sie weniger Widerstand und durchschlagen umso leichter die Glieder eines Kettenhemdes. Mein Freund rief einen Knecht, der mich von hinten festhalten sollte, hieß mich auf ein Holzstück gegen den Schmerz beißen, dann ein kräftiger Ruck, ein Schwall von Blut, und ich war das verdammte Ding los.
    Joana wischte mir den Schweiß von der Stirn. »Mir ist das Herz stehengeblieben, als ich dich fallen sah«, murmelte sie mit feuchten Augen, während sie sorgfältig den Bolzen sauber wischte und ihn in ihr Mieder steckte. »Den brauchen wir noch.« Sie schüttelte den Kopf. »Zwei Mal schon bist du heute nur knapp mit dem Leben davongekommen.«
    »Jemand dort oben hält seine Hand über mich.«
    »Die Jungfrau Maria, Vater! Ich bete jeden Tag, dass sie dich beschützt.« Adela küsste meine Hand. Ihre Augen waren nass von Tränen, doch sie versuchte, tapfer zu lächeln.
    »Unsere kleine Mutter Gottes?« Ich strich ihr über die Wange. »Wem soll ich dann danken? Dir oder ihr?«
    »Mir natürlich!« Sie wischte die Tränen weg. »Wer hat schließlich gebetet?«
    Ich musste lachen, obwohl die Wunde schmerzte. Wir stiegen zur
aula
hoch, wo Joana, nachdem man saubere Binden und heißes Wasser gebracht hatte, die Wunde gründlich auswusch und eine Kräuterpaste auftrug.
    »Zerstoßene Schafgarbe in Gänsefett. Stillt die Blutung und schließt die Wunde«, murmelte sie.
    »Wenn kein Wundfieber einsetzt«, meinte Hamid.
    »Es wird keines geben.« Sie nahm die Pfeilspitze aus ihrem Mieder. »Nicht, wenn wir die Waffe, die die Wunde schlug, auf gleiche Weise behandeln.« Dabei schmierte sie auch Ricards tödlichen Bolzen mit der Kräuterpaste ein, beugte sich darüber und bewegte lange murmelnd die Lippen. War es ein heidnischer Zauberspruch oder ein Gebet? Zuletzt schlug sie zur Bekräftigung ein Kreuz. Den Pfeil legte sie vorsichtig auf den Kaminsims. Hamid lächelte nachsichtig. Vielleicht würden die weisen Ärzte in Damaskus diese Behandlung verlachen,

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