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Der Bastard von Tolosa / Roman

Der Bastard von Tolosa / Roman

Titel: Der Bastard von Tolosa / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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sie gestern hatten ins Lager stolpern sehen.
    »Verges Maria«,
flüsterte ich. Unsere kleine Rosa, der Liebling des Dorfes, so entstellt, so geschunden, und nun so unwiederbringlich tot. Welche Schmach musste sie erlitten haben, dass sie nicht mehr leben wollte. Lange sagte niemand ein Wort. Selbst die Hunde waren still. Nur ein alter Köter roch an ihren Füßen und gab einen langgezogenen Klagelaut von sich.
    Hamid trat an sie heran und fühlte unter ihrem nackten Arm.
    »Lange kann es nicht her sein«, sagte er. »Sie ist noch warm.«
    Er zog sein Messer vom Gürtel und schnitt sie ab, während Drogo sie in seinen Armen auffing. Ich hatte Drogo noch nie weinen sehen, selbst nicht als Knabe. Aber in diesem Augenblick stand er mit der toten Magd in den Armen, und die Tränen liefen ihm in den Bart. Dann wurde er plötzlich feuerrot im Gesicht, und er brüllte vor Wut, dass es durch den ganzen Wald hallte. Der junge Joan riss sich das Hemd vom Leib und bedeckte Rosas angelaufenes, verzerrtes Gesicht und den immer noch vom Strickende zusammengeschnürten Hals.
    Drogo trug sie langsam ins Lager, und wir folgten ihm wie bei einer heiligen Prozession. Alle im Lager waren nun aufgewacht und versammelt, aber niemand sprach ein Wort. Da stand Gustau wie zu einer Salzsäule erstarrt. Drogo legte sanft seine Bürde vor ihm auf den Boden nieder und erhob sich langsam. In der Stille betete jemand. Ich glaube, es war die alte Elena. Wir murmelten mit ihr und bekreuzigten uns.
    Gustau hatte sich immer noch nicht gerührt.
    Da trat Martin vor und gab ihm seinen Bogen und den Köcher mit den messerscharfen Pfeilen. Gustau verstand erst nicht, sondern sah nur dumpf auf die Waffe in seiner Hand. Aber dann wurde sein Mund hart, und er hielt sich aufrecht. Er war nie besonders gesprächig gewesen, doch von diesem Tag an sollte er kaum mehr ein Wort sprechen.
    Und alle, die ihn sahen, wie er vor der Leiche seiner Liebsten stand, erkannten die finstere Entschlossenheit auf seinem Gesicht. Keiner von Rosas Peinigern sollte mit dem Leben davonkommen. Das schwor er sich in diesem Augenblick.

Schlacht an der Brücke
    Sanctus Vigilius, Patron der Bergwerke
    Dominica, 26. Tag des Monats Juni
    F ür Trauer um Rosa blieb wenig Zeit.
    Der Kampf gegen Robert verlangte nach sofortiger Vorbereitung. Wir mussten auf dem Laufenden bleiben, was unten im Tal vor sich ging, allein schon, um Überraschungsangriffe der
pezos
zu vereiteln und um unsererseits jede Gelegenheit, die sich bot, sofort ausnutzen zu können. Mit anderen Worten, wollte ich wie ein Adler zuschlagen, brauchte ich als Erstes seine scharfen Augen.
    Während einer Versammlung der Anführer kurz nach Sonnenaufgang, zu der ich nun auch Vilapros lud, legten wir fest, an verschiedenen Stellen ständige Beobachtungsposten einzurichten. Die Frauen stifteten Spiegel aus poliertem Kupfer, um mit Hilfe des Sonnenlichts jederzeit Warnungen an einen Ausguck auf dem südlichen Berghang zu senden, von wo wir alle Posten einsehen konnten. Alles, was die Beobachtung des Tals betraf, übertrug ich dem Jäger Matiu, der ein umsichtiger Mann war und wie Gustau das Gelände bestens kannte.
    Vor allem war es wichtig, frühe Warnung zu erhalten, wenn Robert mit weiteren Fußtruppen zurückkehrte, voraussichtlich aus westlicher Richtung. Esteve de Vilapros erbot sich, diese Aufgabe zu übernehmen, da er ohnehin Spione an den Straßen hatte, die er gelegentlich mit ein paar Silberstücken belohnte. Damit die Kunde von Roberts Anmarsch uns früh genug erreichen konnte, schickten wir berittene Boten zu ihnen.
    Ich fragte mich, wie es Odo gehen mochte. Eine Krankheit in seinem Alter konnte leicht zum Tod führen. Wir waren immer noch auf seine Hilfe angewiesen. Deshalb war es an der Zeit, einen Boten nach Monisat zu schicken, und für diese Aufgabe wählte ich Berlan
lo Gort,
der als Kämpfer kein großes Licht war.
    »Monisat ist nur einen Tagesritt entfernt«, sagte ich ihm. »Du musst den Berg hinunter, dann durch die Ebene nach Süden. Ricards Leuten wirst du also nicht begegnen. Jetzt hör gut zu. Sag dem Erzbischof, ich kann ihn selbst nicht aufsuchen. Sag ihm, ich habe mit
Paire
Jacobus gesprochen. Er wird verstehen, was das bedeutet«, schärfte ich ihm ein. »Erzähl ihm alles, was hier geschehen ist und dass wir dringend erfahrene Krieger brauchen. Ohne Verstärkung können wir Robert nicht in offener Schlacht besiegen. Reiter, aber auch Fußvolk werden gebraucht. Am besten hundert gute Männer.

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