Der Bastard von Tolosa / Roman
Verstanden?«
Ich ließ mir alles von ihm wiederholen, dann gaben wir ihm ein Pferd und schickten ihn auf den Weg, begleitet von guten Wünschen und Gottes Segen.
Nemos Leute, oder Esteve, wie wir ihn nun bei seinem richtigen Namen nannten, waren am Vorabend in kleinen Gruppen ins Lager gekommen und hatten etwas abseits ihre Unterkünfte eingerichtet. Sie besaßen Maultiere und ein paar Pferde, bepackt mit Zelten, Kesseln und Pfannen und anderen bescheidenen Habseligkeiten ihrer Gemeinschaft. Neben den etwa zwanzig Männern, die Esteve versprochen hatte, befanden sich zu unserer Überraschung auch ein Dutzend Frauen, die Magdalena freudig begrüßten, einige halbwüchsige Jungen und Mädchen und sogar Kinder. Sie sähen wie eine wandernde Gauklertruppe aus, sagte ich zu Vilapros. Aber das genau seien sie auch, war seine Antwort. Es sei eine gute Tarnung. Bei Gelegenheit würden sie gern ein paar akrobatische Darbietungen zeigen, mit Feuerbränden jonglieren oder aus der Hand lesen. Sogar zwei kleine Bühnenspiele waren im Bestand ihrer Vorführungskünste. Ein frommes Stück über den Heiligen Jacobus und die Wunder, die er in Spanien gewirkt haben soll. Das andere ein derber Bauernschwank, der sehr beliebt war.
Die Neuankömmlinge waren in gleichen Maßen scheu wie die Unsrigen misstrauisch, ein Zustand, den ich gleich beenden wollte, denn ohne gegenseitiges Vertrauen würde die Zusammenarbeit schwierig werden. Deshalb rief ich alle zur Versammlung, um Zeugnis des Treueschwurs zu werden.
Vor der Menge stand Jacobus mit einem silberverzierten Kreuz in der Hand. Eine Bibel besaßen wir nicht auf Rocafort. Wer hätte sie auch lesen sollen? Jacobus war inzwischen mit den Bedingungen unseres Handels vertraut. Er würde später eine Urkunde anfertigen. Gemäß der Feierlichkeit des Augenblicks nahmen wir hinter dem Prior Aufstellung. Ich, als Lehnsherr, in der Mitte, an meiner Seite die Zeugen. Zu meiner Rechten Berta und unsere Kinder, beide inzwischen alt genug für diese feierliche Handlung. Hamid und Drogo zu meiner Linken.
Es sei schon zum Lachen, flüsterte ich Hamid heimlich zu, ausgerechnet der erste Vasall in meiner
vita
als angehender Fürst sollte ein Räuberhauptmann werden.
»In der Not ist man nicht wählerisch«, grinste er. »Möchtest du, dass auch ich dir Gefolgschaft schwöre? Es könnte die Ränge füllen. Oder bin ich nur dein Pächter?«
»Weder noch. Du bist mein Freund«, flüsterte ich lächelnd zurück. »Was willst du mir noch schwören, das du mir nicht schon hundertmal geschenkt hast? Ich bin in deiner Schuld, nicht umgekehrt.«
Er nahm dies mit einem verlegenen Grinsen zur Kenntnis und deutete dann auf Vilapros. »Sei unbesorgt. In dem Mann ist keine Falschheit. Er wird dir treu zur Seite stehen.«
Das war auch mein Gefühl. Seine Leute schienen ihm ergeben zu sein und behandelten ihn eher wie einen Vater als einen
capitan.
Magdalena sei einer der Gründe, warum er sein Leben ändern wolle, hatte Hamid mir berichtet. Der andere die Toten und Verwundeten des verunglückten Überfalls auf der Maurentafel, für die er sich selbst die Schuld gab. Bertas Angebot und die Aussicht auf Vergeltung an Borcelencs hätten ihn schließlich überzeugt, diesen Schritt zu tun.
»Der Mann hat mehr zu verlieren als du«, fügte Hamid hinzu. »Er begibt sich in deine Gewalt, muss dir ganz vertrauen. Und, indem er gegen Borcelencs antritt, setzt er für dich sein Leben und das seiner Leute ein.«
Daran dachte ich bei meiner kleinen Ansprache.
»Nach dem heutigen Schwur, den Esteve de Vilapros für sich und die Seinen leistet und der einen jeden, der ihn begleitet, auf gleiche Weise bindet, mit diesem Schwur gehören er und alle seine Gefährten zu Rocafort, und ich erwarte, dass sie so behandelt werden. Mit ihrer und Gottes Hilfe werden wir den Feind besiegen. Jeder, der für uns kämpft, wird einer von uns, ein Mitglied der
familia,
dem unser Dank und unser Schutz gebührt. Später, wenn wir die Feinde hoffentlich vertrieben haben, werden sie neue Felder roden und gute Nachbarn werden.«
Nemos Leute sahen sich scheu um, aber meine Worte hatten den richtigen Ton getroffen und sie ermutigt. Bei denen aus dem Dorf gab es Gemurmel und versteckte Blicke. Sie alle waren einfaches Landvolk und ohnehin misstrauisch gegenüber Fremden. Umso mehr gegenüber fahrendem Volk und Wegelagerern, die für sie nicht besser als reißende Wölfe waren. Doch durch die gemeinsame Anstrengung, die vor uns lag, würde
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