Der Bastard von Tolosa / Roman
schien Jacobus außerordentlich zu fesseln, denn er drehte und wendete das Blatt, hielt es gegen das Licht und prüfte seine Oberfläche, bis ich ihn sanft daran erinnerte, er möge doch bitte vorlesen.
Der Brief war an Goffredus Montalbanus gerichtet und im dürren Latein eines
scriptoriums
aufgesetzt. Fast leiblich konnte ich Bertrans sauertöpfischen
secretarius
vor mir sehen, wie er die Buchstaben auf das Blatt setzte. Aber ganz ließ sich Bertrans Persönlichkeit nicht unterdrücken, die sich immer wieder zwischen den Zeilen durch ein Wort oder einen witzigen Vergleich durchsetzte. Deshalb will ich hier den Inhalt so wiedergeben, wie ich ihn verstanden habe und glaube, dass er gemeint war.
Salve Goffredus,
sei herzlich gegrüßt, nicht nur von mir, sondern auch von der Comtessa Elena, die sich liebevoll an dich erinnert, obwohl sie beklagt, dass du ihr eine tüchtige Magd entführt hast. Aber in der Gewissheit, dass diese sich bestens um deine Tochter kümmern wird, wolle sie von ganzem Herzen zufrieden sein. Von deiner stürmischen Abreise haben wir erfahren und herzlich darüber gelacht. Wir hoffen, dass Gott eure Reise mit einer sicheren Überfahrt und Ankunft gesegnet hat und dass du deinen Sohn artig und dir wohlgesinnt vorgefunden hast.
Nun ja, Cortesa scheint sich inzwischen nicht nur um Adela zu kümmern, dachte ich belustigt. Sogar beim Töten half sie den Männern. Und Söhne besaß ich plötzlich mehr als je erträumt.
Dein Mann Guilhelmus hat mir seltsame Dinge berichtet, zum einen, was seine Rolle als heimlichen Leibwächter betrifft, von der du angeblich nichts wusstest, zum anderen von befürchteten und sogar versuchten Mordanschlägen gegen deine Person. Seine Anschuldigungen gegen meinen Vetter Ricardus hätte ich sicher nicht ernst genommen, aber da ich Ricardus kenne und mir sein Hass gegen dich nicht entgangen ist, hielt ich es für sicherer, dass Guilhelmus sich aufmacht, dich zu warnen. Zu diesem Zweck habe ich ihn mit einer angemessenen Summe für die Reise ausgestattet und hoffe, er findet dich gesund an Leib und Seele vor.
»Ah!«, rief ich. »Hatte nicht Barbara eure Reise bezahlt?«
Guilhem war sichtlich verlegen. »Das stimmt, und ich habe alles Severin gegeben, wie ich es dir erzählt habe. Als
Coms
Bertran mir noch mehr aufgedrängt hat, dachte ich, für die Reise brauchten wir es sicher nicht.«
»Aufgedrängt?«, fragte ich spöttisch. »Wahrscheinlich hast du inzwischen alles ausgegeben.«
»Wir lagen wochenlang in Pisa fest. Und sie haben hübsche Weiber dort, das kann ich dir sagen. Du solltest die Stadt mal besuchen.«
Ich schüttelte grinsend den Kopf und bat Jacobus, weiterzulesen.
Und nun zum schwierigen Teil meiner Botschaft. Ich beschränke mich auf Andeutungen, denn wer weiß, wem dieser Brief in die Hände fallen könnte. Gewisse Dinge geben mir sehr zu denken. Zum einen, was mir dieser Guilhelmus berichtet hat. Zum anderen unbedachte Worte, die Ricardus im Zorn und kurz vor seiner Abreise entschlüpfen ließ. Auch ein weiterer Brief von deinem Oheim, der mich erst nach deiner Abreise erreicht hat und in dem er noch ungeduldiger als zuvor deine Heimkehr anmahnt. Darin macht er Anspielungen, die man nur in einer bestimmten Weise deuten kann, wenn man sie mit Gerüchten und Gemunkel in Verbindung bringt, die mir schon früher zu Ohren gekommen waren. All dies bestätigt also einen leisen Verdacht, den ich seit einiger Zeit genährt habe, aber dir gegenüber nicht hatte aussprechen wollen, da du selbst nichts zu wissen schienst und die Sache mir damals noch zu abwegig vorgekommen war.
Odo hat dich inzwischen gewiss in allem aufgeklärt, das heißt, wenn meine Vermutung richtig ist. Wenn du also derjenige bist, für den ich dich halte, dann sollst du wissen, dass ich mit vielen Handlungen meines Vaters weder etwas zu tun hatte noch damit einverstanden gewesen wäre, hätte ich seine Absichten auch nur geahnt. Im Gegenteil, trotz der kurzen Zeit, die uns vergönnt war, habe ich dich und den Beginn unserer Freundschaft sehr geschätzt. Schon als Kind hätte ich mir einen companh wie dich gewünscht. Wir hätten hier in Outremer noch viel gemeinsam unternehmen und bis nach Bagdad reiten können. Erinnerst du dich an unser Gespräch an jenem Abend? Vielleicht hätten wir sogar einen haeraem erbeutet. Was für ein Spaß wäre das gewesen! Ich sage nicht mehr.
Nun, Gott hat es anders verfügt.
Ich frage mich, was du nun tun wirst. Es liegt ein langer und schwieriger
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